Design?
Oder kann das weg? 

Über Geschmack lässt sich nicht streiten! Warum ­eigentlich nicht? Scheinbar lässt sich rational nicht ergründen, was gefällt oder nicht. Und das ist auch ganz gut so, denn sonst gäbe es diese Vielfalt an Formen­sprache in unserem Leben nicht. Deutlich wird das beim Autodesign. Die Form eines Autos ist heute wichtig, wenn nicht gar ­wichtiger als die Technik.

Das laute Gelächter wich stillem Entsetzen und der Frage: „Ist das Euer Ernst?“. So oder so ähnlich können wir uns die Situation vorstellen, damals, 1994, bei der internen Präsentation der zweiten Generation des Ford Scorpio. Für viele ist der Scorpio der Inbegriff des ­Design-Fails: „Fischmaul“, „Glubschauge“, und „Dreipferdehintern“ titelte die Fachpresse seinerzeit. Dass der Scorpio der letzte Mittelklasse-Ford mit Heckantrieb war und durchaus auch als Vorreiter in Sachen Technologie – immerhin war er das erste Modell mit serienmäßigem ABS an Bord – gesehen werden kann, hat sich in den Köpfen vieler Autokenner nicht verankert.

Absicht? Design kann auch Furcht einflößen. Bild: BMW

Geschmäcker und ­Ohrfeigen

Ob die eingangs beschriebene ­Szene nur der Legendenbildung dient oder ob es sich wirklich so zugetragen hat, lässt sich heute nicht mehr zweifelsfrei ermitteln. Aber allein die Vorstellung, dass die Präsentation der neuen Generation eines Automodells zu solchen Reaktionen führt, macht deutlich, wie sehr die Formensprache eines Automobils emotionalisieren kann. ­Geschmäcker und Ohrfeigen sind verschieden, besagt ein altes Sprichwort. Das gilt nicht nur für die kulinarischen Vorlieben der Menschen, sondern auch für die visuellen Reize. Und die spielen beim Kauf eines Automobils heute meist die entscheidende Rolle. Wer sich ein Auto kauft, schaut in ­erster Linie auf die Themen ­Sicherheit, Preis/Leistung und Umweltverträglichkeit, gefolgt von Styling und Design. Technische Ausstattung, Markenimage und sogar Raum- und Familien­tauglichkeit kommen erst an hinterer Stelle.

Balance zwischen ­Kreativität und Effizienz

Zwar haben Moden und Trends das Automobildesign immer schon beeinflusst, andererseits prägen ökonomische, technische und ökologische Faktoren die Autoform. Hinzu kommen markenprägende Designelemente, die Fahrzeughersteller für ihre Fahrzeuge entwickelt und etabliert haben: etwa die typische BMW-Niere, der große Stern auf dem Kühlergrill eines Mercedes oder die charakter­istische Porsche-­Silhouette. Solche Elemente waren bei den Vätern des Automobildesigns noch kein Thema. Damals – rund um die Wende zum 20. Jahrhundert – waren es die technischen Gegebenheiten, die die Form vom Automobilen vorgaben. Es folgte also alles der Maxime „form follows function“.

Auf die Probe gestellt

Die frühen Automobile erinnern formal noch stark an Kutschen – Motorkutschen. Die Übergänge von der Fahrgastzelle zum Motor wurden im Lauf der Zeit immer fließender. Die Frontscheibe und zusätzliche technische Funktionen kommen hinzu, die damit auch die Form der Fahrzeuge nach und nach verändern. Das Zeitalter des institutionalisierten Automobildesigns beginnt 1927. In diesem Jahr übernimmt Harley Earl bei General Motors die Leitung der neu gegründeten „Art and Colour Section“. Es war das erste Designstudio eines Autobauers überhaupt. Earl gestaltete mit der Buick-Studie Y-Job das erste Auto eines Massenherstellers, das ein Ziel hatte: die Reaktion des Publikums auf neue Design-Ideen zu erfahren. Earl, dessen Vater noch Karosserien für Pferdekutschen baute, revolutionierte die Designarbeit mit Tonmodellen, die der Visualisierung des späteren Produkts dienten. Heute übernehmen das Softwareanwendung in Virtual Reality-Umgebung.

Tauchende Blinker und peilende Stäbe

Wer sich heute eine G-Klasse von Mercedes bestellt, sofern der beim Verfassen dieses Beitrages geltende Bestellstopp irgendwann einmal wieder aufgehoben wird, muss je nach Ausstattung nicht nur mit bis zu zwei Jahren Wartezeit rechnen, die oder der darf sich auf eine echte Design-Ikone freuen. Die G-Klasse war ein großer Wurf der Mercedes-Ingenieure. Das liegt nicht nur an der Robustheit des Geländewagens – rund 80 Prozent der seit 1979 gebauten G-Klasse sind heute noch im Einsatz. Es ist seine ikonische kantige Form, die ihn unsterblich macht. So unsterblich, dass bei prägenden Design-Elementen technische Kreativität gefragt ist, wenn es um Verbesserungen bei neuen Modellversionen geht. Wie etwa bei den für die G-Klasse charakteristischen Blinkern links und rechts auf den Frontkotflügeln: Um den aktuellen Vorgaben für den Fußgängerschutz gerecht zu ­werden, sind sie versenkbar konstruiert. Bei einem Aufprall taucht das Blinkergehäuse in den Kotflügel zurück und minimiert so das Verletzungsrisiko.

Ikonisch, kantig, unsterblich: Designelemente können auch Herausforderung bedeuten. Dauerrenner seit mehr als 40 Jahren: Mercedes G-Klasse. Bild: AdobeStock/GM Photography

Design-Fails: Ein Worst-of

Kein Beitrag zum Automobildesign ohne eine kleine Auswahl der großen Designsünden im Automobilbau. Wir haben unser Redaktionsteam gefragt, welche Automodelle in den Augen weh tun. Hier sind sie aus Sicht der motus-Redaktion:

Bilder: AdobeStock/Lenan, Glebiy, Gordenkoff, Jarretera, BMW, PT Cruiser, Mini, Teska, lazoo
Titelbild: AdobeStock/Chaosamran_Studio
Zurück zur Startseite

Kommentieren

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

1 Kommentar

  1. Spannend, wie die technischen Voraussetzungen auch das Design beeinflussen. Ich weiss, dass durch Magnesiumguss viele Bestandteile angefertigt werden können. So macht es das Auto nicht nur schick, sondern auch in der Funktion qualitativ hochwertig.

Nach oben scrollen