Der Blitzen Benz wird im Mercedes Benz Museum hereingerollt

Blitzen-Benz: Wenn einer
eine Reise tut

Mehrmals im Jahr kommt es im Mercedes-Benz Museum in Stuttgart zu einem ganz besonderen Schauspiel. In der Hauptrolle dieses Mal: ein Blitzen-Benz.

Mercedes-Benz Museum

Mehr als 800.000 Besucher kommen Jahr für Jahr ins Mercedes-Benz Museum nach Stuttgart, um sich die 160 Fahrzeuge und 1.500 weiteren Exponate anzuschauen. Wir finden: Ein Besuch lohnt sich. mercedes-benz.com/museum

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Es ist trubelig im Atrium des Mercedes-Benz Museums in Stuttgart. Um mich herum sirren Menschen durchs Foyer, viele haben Werkzeug in der Hand, die meisten tragen Handwerkerkluft. Einer ruft laut „Achtung!“, und ein riesiger Stahlkorb schwebt auf Luftpolstern ins Atrium. Mélanie Pala beobachtet das Schauspiel gemeinsam mit mir. „Die Technik hier ist schon etwas ganz Besonderes. Ich bin jedes Mal fasziniert davon“, sagt Pala. Die gelernte Kunsthistorikerin arbeitet als Kuratorin in einem Team, das Sonderausstellungen und ­Museumsprogramme für das Mercedes-Benz Museum entwickelt. Ein Teil der Arbeit besteht auch darin, neue Fahrzeuge in die Ausstellung einzubringen – und gelegentlich auch Fahrzeuge auszubringen. Genau das geschieht heute.

Melanie Pala organisiert Ausstellungen im Mercedes-Benz Museum

Rekord für die Ewigkeit

Auf die Reise geht ein Benz. Das ist – zugegeben – erst mal nichts Ungewöhnliches im Mercedes-­Benz Museum. Allerdings ist es ein ganz besonderes Auto, das sich da auf den Weg macht: Es ist der sogenannte Blitzen-Benz. Der 1909 gebaute Rennwagen hatte für die damalige Zeit einen irrsinnig starken Motor: 200 PS trieben den Boliden an. Mit einem Hubraum von 21,5 Litern nahm der Benz eine absolute Spitzenstellung im Motorenbau jener Jahre ein. Aber vor allem ist der Blitzen-Benz das erste Automobil, das die magische Marke von 200 Stundenkilometern geknackt hat. Vor 110 Jahren fuhr der Bretone Victor Hémery, seines Zeichens Werksfahrer bei Benz, die halbe Meile mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 205,7 km/h. Die schnellste gemessene Geschwindigkeit erreichte der Blitzen-Benz 1911, als er – gelenkt vom aufstrebenden Nachwuchsrennfahrer Bob Burman – mit 228,1 Stundenkilometern über den Daytona Beach in Florida donnerte. Damit war er sogar schneller als die Flugzeuge der damaligen Zeit und übertraf den Rekord für Schienenfahrzeuge. Kurzum: Zu diesem Zeitpunkt hatte sich kein Mensch jemals schneller fortbewegt als Bob Burman im Blitzen-Benz. Acht Jahre lang sollte sein Rekord ungebrochen bleiben.

Blitzen-Benz von 1909 mit einem 200PS Motor
Blitzen-Benz: Der 1909 gebaute Rennwagen hatte für die damalige Zeit einen irrsinnig starken Motor: 200 PS trieben den Boliden an.

An vier Seilen

Insgesamt wurden nur sechs Blitzen-Benz gebaut. Einer steht jedoch noch in bestem Zustand in der sogenannten Steilkurve des Mercedes-Benz Museums. Dort, auf Ebene 1, sind auf imposante Art und Weise ganz historische Rennmodelle ausgestellt. „In diesem Jahr feiern wir 125 Jahre Motorsport. Der Blitzen-Benz ist dabei natürlich ein wichtiger Meilenstein der Motorsportgeschichte. Deshalb haben wir uns entschieden, ihn auf Reisen zu schicken“, sagt Pala. Zu sehen sein wird er auf der ­Oldtimermesse Retro Classics in Stuttgart und beim Goodwood Festival of Speed in England. Aber er macht auch einen Abstecher ins englische Silverstone, wo das Formel-1-Team von Mercedes-­Benz das Motorsport-Jubiläum feiert. „Mal sehen, vielleicht dreht der Blitzen-Benz dort sogar eine Runde. Natürlich muss man das immer gut abwägen. Im Museum wird er uns fehlen, dafür bekommt er auf den verschiedenen Veranstaltungen viel Aufmerksamkeit. Und wenn man ihn dort fahrend erleben kann, ist das ja auch etwas ganz Besonderes.“ Während Pala redet, setzt sich der Blitzen-Benz langsam in Bewegung: Mehrere Handwerker haben den Rennwagen behutsam an zwei Gabelstaplern befestigt, die den Benz von der Steilkurve in die Luft heben. Mein Atem stockt. Ob den Mechanikern in diesem Moment durch den Kopf geht, dass der an nur vier Seilen hängende Wagen unbezahlbar ist? Man merkt ihnen nichts an, sie arbeiten mit höchster Präzision – und ohne jede Hektik.

Der Blitzen-Benz wird mithilfe eines Gabelstaplers an vier Seilen in Position gebracht.

„Es tut mir immer ein bisschen weh, wenn ein Auto unsere Ausstellung verlässt. Dann fehlt einfach etwas.“

Melanie Pala
Kuratorin

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Durch die Lüfte

Geschafft. Nur: Wie kommt der Benz von Ebene 1 ins Erdgeschoss? Einen ausreichend großen Aufzug gibt es im Museum nämlich nicht. Dafür clevere Technik. Und hier spielt der Stahlkorb im Erdgeschoss eine wichtige Rolle. Wie auf Kommando kommen dicke Stahlseile aus der Museumsdecke in 40 Metern Höhe herab. Tatsächlich versteckt sich im Dach des Museums eine riesige Seilwinde. Rasch machen die Handwerker die Seile am Stahlkorb fest und fahren ihn mithilfe einer Fernbedienung nach oben. Dort ist ein Teil der Brüstung abmontiert worden, damit der Krankorb andocken kann. „Zugegeben, schon ein recht hoher Aufwand nötig, um hier ein Fahrzeug zu transportieren“, lacht Pala, während die Mechaniker den ­Blitzen-Benz in den Korb schieben. Der eigentliche Flug des Blitzen-Benz durch die Museumslüfte dauert nur wenige Sekunden, dann ist er schon im Erdgeschoss angekommen. Pala schaut wehmütig: „Es tut mir immer ein bisschen weh, wenn ein Auto unsere Ausstellung verlässt. Dann fehlt einfach etwas.“ Im Herbst dieses Jahres soll der Blitzen-Benz zurückkommen. Auch dann wird er wieder durchs Atrium schweben und schließlich in der Steilkurve halt machen. Und Mélanie Pala? Sie wird sich das Schauspiel natürlich wieder ganz genau anschauen.

Mit Hilfe einer Hebebühne an Stahlseilen wir der Blitzen-Benz ins Erdgeschoss gelassen.
Ab ins Körbchen: Der Blitzen-Benz schwebt in einem Stahlkorb ins Erdgeschoss.
Marko Ramic

Marko Ramić (Redakteur)

wäre für einen neuen Rekordversuch im
Blitzen-Benz der absolut
falsche Mann.

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