Ab durch
die Mitte!

Mein Plan: durch das grüne Herz Deutschlands, von Gießen nach Magdeburg. Ich habe gut eine Woche, ein E-Bike und sehr wenig Gepäck. Allein unterwegs mit dem Fahrrad ist für mich pure Entschleunigung.

Wie durch ein Wunder ist es zum Start in Gießen sogar trocken und die Sonne begleitet mich für den Rest des Tages auf meinem Weg durch oberhessische Wälder. Ruhig ist es hier, und sobald ich das Gießener Umland hinter mir gelassen habe, begegnen mir auf meinem Weg nach Romrod kaum noch andere Radfahrer. Touristische Besonderheiten gibt es nicht und ich habe eine ruhige Nacht in Romrod.

Der erste Tag ist geschafft und ich werde mit diesem Blick auf Schloss Romrod belohnt.
Der erste Tag ist geschafft und ich werde mit diesem Blick auf Schloss Romrod belohnt.

Am nächsten Morgen starte ich zeitig, denn für den Nachmittag ist Regen angesagt. Darum fällt die Stadtbesichtigung in Bad Hersfeld aus und ich komme nach 92 Kilometern schon mittags in Rotenburg an der Fulda an. Richtig schön ist der Radweg entlang der Fulda, die teils mit vielen verschlungenen Seitenarmen durch ihr grünes Tal mäandert. Und: Rotenburg ist schmuckes Fachwerkstädtchen mit romantischen Gässchen und einer tollen Lage an der Fulda. In den vielen Cafés und Restaurants in der sehenswerten Altstadt lässt es sich gut einkehren.

Viadukt in Lengenfeld unterm Stein.
Viadukt in Lengenfeld unterm Stein.

Bergetappe

Am nächsten Tag gehe ich die einzig wirkliche Bergetappe meiner Tour an. Ein Stück noch folge ich der Fulda, bevor ich über verschlungene Wege und so manche Steigung ins Tal der Werra komme, der ich auch eine Zeit lang folge. Eschwege lasse ich links liegen und mache mich auf, die Höhen des Eichsfeld zu erklimmen. Dabei überquere ich die ehemalige deutsch-deutsche Grenze.

Ein Großteil der heute verbleibenden Strecke führt über die Kanonenbahn. Das ist ein ziemlich schnurgerader Fahrradweg auf einer alten Bahntrasse mit einigen Tunneln. Der längste von ihnen ist eineinhalb Kilometer lang und fühlt sich an einem Sommertag ganz schön kühl an. Am Ende der Kanonenbahn stoße ich auf mein heutiges Ziel: die Unstrutquelle.

Die Unstrutquelle entspringt in Kefferhausen.
Die Unstrutquelle entspringt in Kefferhausen.

In einem kleinen Waldstück unweit des thüringischen Städtchens Dingelstädt entspringt dieser Kleinfluss, an dessen Ufern sich das nördlichste Weinanbaugebiet Europas erstreckt. An der schön eingefassten Quelle mache ich ein Selfie und beziehe danach meine Unterkunft in einem kleinen Dorf ein paar Kilometer weiter.

Tag der Dome

Am nächsten Morgen geht es früh los, denn es soll heiß werden. Mein erstes Ziel: Mühlhausen. Schon um 10 Uhr morgens komme ich an und finde sofort die Beschilderung der kleinen Altstadtrunde. Imposante mittelalterliche Gebäude und kühle Gassen begleiten mich auf meinem Weg zur Divi Blasii Kirche mit einem schönen Platz davor. Mühlhausen hat eine wunderschöne und lebendige Altstadt und ist auf jeden Fall einen Besuch wert, auch wenn es in meinem Fall nur eine Stippvisite ist.

Marienkirche in Mühlhausen, heute Thomas Müntzer Gedenkstätte.
Marienkirche in Mühlhausen, heute Thomas Müntzer Gedenkstätte.

Weiter geht es ins 25 Kilometer entfernte Bad Langensalza. Anders als viele andere Kurstädte zeigt sich der Ort in strahlendem Glanz und äußerst farbenfroh. Die gesamte Altstadt wurde offenbar kürzlich einer gründlichen Überarbeitung unterzogen, sodass sich hier herrlich flanieren lässt. Hier gönne ich mir eine Thüringer Rostbratwurst, schlendere ein bisschen herum und mache mich dann auf den Weg in Richtung Sömmerda. Der führt bald durch fast dschungelartige Auen, die von Wiesen unterbrochen werden. Wunderschön präsentiert sich auf diesem Abschnitt das Unstruttal.

Farbenfrohe Innenstadt von Bad Langensalza.
Farbenfrohe Innenstadt von Bad Langensalza.

Highlight für viele ist die Sagrada Familia, ein Mammutprojekt sakraler Architektur, das jeden Besucher in seinen Bann zieht. Das Monument ist seit 1882 im Bau und zu 100 Prozent spendenfinanziert. Das führt dazu, dass es etwas länger dauert. Das Innere verzaubert jeden, der über seine Schwelle tritt und das Äußere ist anders als alle Kirchen der Welt.

Durch die Wildnis

Allerdings ist es auch in weiten Teilen menschenleer und ich frage mich, was passieren würde, wenn ich hier stürze. Daran will ich lieber nicht denken und trete weiter in die Pedale. Bei über 30 Grad Hitze ist das eine schweißtreibende Angelegenheit. Nach den schönen Auen folgt bis Sömmerda eine staubige flache Durststrecke. Ausgehungert komme ich in meinem Quartier an, wo ich mir weitere Aktivitäten spare und einen ruhigen Abend verlebe.

Nach einer angenehmen Nacht starte ich wieder früh und fahre mitten durch die alte Industriestadt, die mich nicht in ihren Bann ziehen kann. Es folgt ein heißer Tag mit viel Natur, an dem ich zunächst auf einem kleinen Unstrut-Deich radele. Kleine Dörfer wechseln sich mit Feldern und Wiesen ab, es ist eher etwas unspektakulär. Auch die Weinorte, in die ich in der zweiten Tageshälfte komme, wirken weniger romantisch als ich das aus dem Südwesten Deutschlands kenne.

Ein paar Schlösser und Burgen liegen hoch über dem Fluss und sind oft nicht zugänglich oder mir einfach zu weit weg von meinem Weg. Ich lande schließlich in Laucha, das ich mir etwas belebter vorgestellt hatte. Es mag daran liegen, dass heute Dienstag ist und der einzige Biergarten seinen Ruhetag pflegt. Die Hitze tut ihr Übriges. Noch nicht einmal Wein von der Unstrut ist hier an diesem Abend zu bekommen. Schade!

Jetzt kommt die Saale

Für den Mittwoch habe ich mir viel vorgenommen: Ich will unterwegs die Städte Naumburg und Merseburg besuchen, bevor ich nach Halle fahre. Auf dem Weg wäre auch noch Freyburg, das Zentrum des Unstrut-Weins, das ich aber schon von einer früheren Reise kenne und deshalb für heute auslasse. Schon frühzeitig bin ich auf dem Naumburger Marktplatz, der an diesem Tag sehr belebt ist, denn es ist Markttag. Sehenswert ist die durchgängige Architektur dieses perfekt durchgeplanten Platzes.

Viel los auf dem Marktplatz in Naumburg.
Viel los auf dem Marktplatz in Naumburg.

Ein Abstecher zum Dom und in die Fußgängerzone müssen sein, bevor ich weiter in die Pedale trete. Auf dem Weg passiere ich noch das Gradierwerk von Bad Dürrenberg und kann auf diese Weise vom Fahrrad aus ein paar Prisen Seeluft schnuppern. Merseburg ist an diesem heißen Tag weit weniger belebt, zeigt aber ein wunderschönes Ensemble von Dom und Schloss.

Ich hätte mehr Zeit für eine Besichtigung einplanen sollen und dadurch sicher von der Kühle im Inneren des Domes profitieren können, aber ich will noch weiter bis nach Halle. Das ist nicht weit, nur leider schickt mich meine Fahrrad-Navigation über eine schnurgerade und viel befahrene Haupteinfallstraße, die zum Glück mit einem Fahrradweg ausgestattet ist.

Mittelalterliches Ensemble von Schloss und Dom in Merseburg.
Mittelalterliches Ensemble von Schloss und Dom in Merseburg.

In Halle treffe ich gegen 16 Uhr ein und habe so noch genug Zeit für einen ausgiebigen Stadtbummel. Das Zentrum ist voller Menschen, die hier bummeln oder in aller Ruhe ein Eis, ein Getränk oder ein Abendessen genießen. Ich suche den Dom, der dritte für heute. Es wirkt von außen weit weniger spektakulär als die zwei anderen Gotteshäuser, die ich heute schon gesehen habe. Von innen aber verzaubert er mich mit schlichter Eleganz und wunderbarer Kühle. So lasse ich den Tag nach dem Stadtrundgang bei einem kalten Bier und gutem Essen ausklingen, bevor ich bei schwüler Hitze ins Bett falle.

Die Marktkirche: das Wahrzeichen von Halle.
Die Marktkirche: das Wahrzeichen von Halle.

Langsam ausrollen!

Die letzten zwei Tage halten relativ kurze Etappen für mich bereit: ich habe insgesamt noch etwa 130 Kilometer bis zu meinem Ziel Magdeburg. Und die habe ich mir in zwei etwa gleiche Teile aufgeteilt. So fahre ich heute bis zur Residenzstadt Bernburg. Anfangs fahre ich auf einem Weg, eher ein Wanderweg, durch dichtes Gebüsch. Die Saale ist nah, aber sehen kann ich sie nicht. Weil ich heute Zeit habe, kehre ich unterwegs an der Georgsburg mit Saaleblick ein. Herrlich!

Immer direkt an der Saale entlang geht es jetzt über einen ziemlich schattigen Weg, der mich direkt nach Bernburg führt. Ich bummele durch die belebte Kleinstadt und genieße einfach den Sommer. Am nächsten Morgen starte ich bei Regen in die letzten gut 60 Kilometer bis nach Magdeburg. Leider ist dieses Teilstück nicht so schön, weil ich aufgrund einer gesperrten Fähre nicht den „normalen“ Weg direkt an der Saale nehmen kann.

Dafür entschädigt mich ein Wochenende in Magdeburg bei herrlichem Wetter. Aber: das ist keine Fahrradtour mehr … Mein Fazit: eine Woche quer durch Hessen, quer durch Thüringen und ein ganz schönes Stück mitten durch Sachsen-Anhalt. Mehr als 600 Kilometer, einige Flüsse, insgesamt vier Dome und eine Menge Schweiß. Ich habe es geschafft! Ein bisschen stolz bin ich schon.

Tipps für die Fahrradreise

An- / Abreise

Es empfiehlt sich die An- und Abreise per Bahn in Nahverkehrszügen mit dem Deutschlandticket. In den meisten Bundesländern ist die Fahrradmitnahme kostenlos. Anreise in Fernzügen ist problematisch: Hier muss man einen Platz für das Fahrrad reservieren. Verpasst man diesen Zug, ist die Weiterreise meist nur noch per Nahverkehr möglich.

Gepäck

Weniger ist mehr! Jedes zusätzliche Gramm muss bewegt werden. Atmungsaktive Sportkleidung jeden Abend per Hand kurz waschen. Dann reichen zusätzlich zwei Outfits für abends. Regensachen sind unerlässlich, praktisch sind regenfeste Überschuhe. Sonnencreme nicht vergessen.

Fahrrad-Ausstattung

Eine gute Fahrradhose ist Gold wert und schont das Gesäß. Flickzeug, Ersatzschlauch und ein kleines Multitool sowie ein bisschen Kettenöl helfen ebenfalls, genau wie die Luftpumpe. Für die Ausstattung gilt: Billiges Equipment vom Discounter rächt sich leider schon auf den ersten Kilometern. Lieber auf Qualität setzen. Ganz wichtig: viel trinken. Hilfreich sind auch Müsli- oder Fruchtriegel.

Orientierung

Wer will, setzt klassisch auf die Landkarte mit großem Maßstab. Besser sind Navigations-Apps für das Fahrrad wie zum Beispiel komoot oder Naviki. Hier am besten auf die Bezahlversion setzen, denn nicht überall ist der Mobilfunk-Empfang ausreichend.

Übernachtung

Wer allein unterwegs ist, wird immer ein Zimmer finden. Wer will, bucht für die ganze Tour im voraus, das muss aber nicht sein. Eine Empfehlung für Radfahrer: Jugendherbergen und Unterkünfte von Bett + Bike. Hier ist man besonders auf die Bedürfnisse von Radfahrern eingestellt.

Alle Bilder: Frauke Hewer
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