Nach einem unverschuldeten Schaden durch einen Autounfall zum Anwalt? Das kostet Zeit und Nerven. So lautet zumindest die gängige Meinung. Dass genau das Gegenteil der Fall ist, erklärt Rechtsanwältin Katharina Meyer.
Viele Geschädigte scheuen bei einem Unfall den Weg zum Anwalt. Können Sie das nachvollziehen?
Na klar. Die Leute sind unverschuldet in eine Situation gekommen, in der sie überhaupt nicht sein möchten. Das Letzte was sie nun wollen, ist einen Anwalt einzuschalten. Dabei können Anwälte dem Verunfallten in dieser nervigen Situation Sicherheit geben. Ein Beispiel: Der Unfallgegner gibt am Ort des Unfalls zu, dass er alleinschuldig ist. Wenn er nun aber seiner Versicherung mitteilt, nicht schuld zu sein, gibt es das erste Problem. Denn die Versicherung lehnt in diesem Fall die Haftung ab. Ohne Anwalt kommt der Geschädigte nicht weiter.
Wie läuft der erste Besuch beim Anwalt eigentlich ab?
Welcher Besuch? Der Geschädigte kann heute einfach anrufen oder eine E-Mail schreiben. Bei uns kann er den Unfall zudem über ein Onlineportal mitteilen. Aber natürlich können wir die Angelegenheit auch persönlich besprechen. Wichtig ist nur, dass der Geschädigte so schnell wie möglich nach dem Unfall den Anwalt einschaltet. Denn nur dann kann er dem Mandanten sagen, wie er sich zu verhalten hat, um nicht auf einem Teil des Schadens sitzen zu bleiben.
Wie viel kostet so ein erstes Gespräch?
Im Grunde nichts, solange der Anwalt die Angelegenheit dann auch weiterbetreut. Ist der Geschädigte am Unfall nicht schuld, trägt die gegnerische Haftpflichtversicherung die Kosten des Anwalts.
Was folgt als Nächstes?
Der Mandant geht zur Werkstatt, wenn er da nicht vorher schon war. Diese schaltet für den Kunden einen versierten Sachverständigen ein. Sobald wir vom Sachverständigen das Gutachten bekommen haben, kümmern wir uns um die weitere Abwicklung. Dabei beraten wir den Mandanten rechtlich. Ob er reparieren lässt oder sich ein Ersatzfahrzeug anschafft, entscheidet allein der Kunde.
Nun wird’s aber teuer für den Mandaten, oder?
Nein, auch das alles ist für den Mandanten kostenlos, wenn der Unfallgegner Schuld hat.
Unglaublich. Wie geht’s weiter?
Sobald wir die Belege erhalten, beziffern wir, ziehen ein und zahlen an denjenigen aus, der das Geld bekommen soll, also an den Rechnungsaussteller oder an unseren Mandanten.
Fall erledigt?
Schön wär’s. Die Versicherung zahlt so gut wie nie vollständig. Wir versuchen zwar alle Positionen außergerichtlich durchzusetzen. Das klappt aber nicht immer. Kommen wir außergerichtlich nicht weiter, sprechen wir mit dem Mandanten über die Kosten des Gerichtsverfahrens. Es ist sinnvoll die individuelle Situation des Mandanten zu betrachten: Hat er keine Rechtschutzversicherung und auch kein Geld für die Klage, können wir für ihn beispielsweise einen Prozesskostenhilfeantrag einreichen.
Das heißt: Erst, wenn ein Fall vor Gericht landet, kommen Kosten auf den Mandanten zu?
Jein, denn es gilt: Am Ende zahlt, wer verliert.
Eine Klage lohnt sich also nicht immer?
Genau. Es kommt immer auf die Erfolgsaussichten an. Sind die Aussichten gut, reichen wir die Klage ein. Sind die Aussichten schlecht, lassen wir es.
Hilft es, wenn man in solchen Fällen einen Verkehrsrechtsschutz hat?
Absolut. Dann hat der Mandant entweder gar kein finanzielles Risiko oder trägt er nur die Selbstbeteiligung – und das auch nur, wenn er verliert.
Ob mit oder ohne Rechtsschutz: Gehen Opfer eines Unfalls Ihrer Meinung nach zu selten zum Anwalt?
Viel zu selten. Es gibt noch immer die Unsitte, dass Geschädigte meinen, die Werkstatt müsse sich um alles kümmern. Die Werkstatt verdient ihr Geld aber mit der Reparatur des Fahrzeuges und nicht mit der Schadenabwicklung. Es sollte sich derjenige um das kümmern, was er kann: Wir reparieren keine Autos, die Werkstätten wickeln keine Schäden ab.
Manche Werkstätten bieten bei Schäden durch einen Unfall eine sogenannte Schadenabwicklung an, bei der auch gleich ein Anwalt kontaktiert wird. Ist so etwas seriös?
Das kommt drauf an. Es gibt sogenannte Unfallhelferringe. Dabei schaltet eine Werkstatt den Anwalt ein, ohne dass der Kunde das mitbekommt. Der Anwalt wickelt dann den Schaden ohne Korrespondenz mit dem Kunden ab. Solche Unfallhelferringe sind zurecht in Verruf. Viele Werkstätten bieten aber auch eine seriöse Schadenabwicklung an, bei der gleich ein Anwalt kontaktiert wird. Die Werkstatt vermittelt dabei den Kontakt zwischen Kunden und Anwalt – und übermittelt alle nötigen Daten. So kommt der Anwalt gleich zu Beginn ins Boot und kann den Kunden richtig beraten und unterstützen. Denn: Auch David ist gut gerüstet gegen Goliath angetreten.
Marko Ramić
hat gemerkt: Gute Anwälte können komplizierte Fälle auch ohne Juristendeutsch erklären.