Die Urlaubsfahrt, der Stau oder die kurze Fahrt zum Bäcker: Die Straße ist immer dabei. Ihre Zahl und Länge nimmt stetig zu. Straßen spalten, führen zusammen, werden schlechter, aber auch intelligenter.
Wer die Hoffnung hatte, dass mit dem Deutschlandticket der tägliche Stau zur Arbeit weniger würde, weil viele endlich mit Bus und Bahn pendeln, dürfte enttäuscht sein. Die ADAC-Staubilanz für 2023zeigt, dass das Staugeschehen auf Deutschlands Autobahnen im Vergleich zum Vorjahr wieder stark gestiegen ist. Zwar hat das Aufkommen das Vor-Corona-Niveau von 2019 noch nicht erreicht, es bewegt sich aber klar in diese Richtung: 504.000 Staus und stockendender Verkehr mit einer Gesamtlänge von 877.000 Kilometern lautet die Bilanz der stehenden oder kriechen- den Blechlawinen. Gesamtdauer der Verkehrsstörungen im Jahr 2023: 427.000 Stunden. Bei diesen schwindelerregenden Zahlen wird klar, dass ein funktionierendes Straßennetz entscheidend ist für die Mobilität einer modernen Gesellschaft.
Auf Kante genäht
Geschätzte 830.000 Kilometer lang ist das deutsche Straßennetz – rund 300.000 Kilometer davon sind Straßen des überörtlichen Verkehrs Die meisten Straßen liegen also in Städten und Gemeinden. Der Bedarf an neuen Straßenkilometern stieg in den vergangen Jahrzehnten stetig. Warum das so ist, zeigt etwa die Zunahme des Güterverkehrs: Fünfmal mehr Lkw sind heute auf den Straßen unterwegs als noch vor 30 Jahren – Tendenz steigend. Knapp 50 Millionen Fahrzeuge rollen tagtäglich über Deutschlands Straßen und legen insgesamt eine Strecke von knapp zwei Milliarden Kilometern zurück. Die Folge: Unsere Straßen ächzen unter der Belastung, Straßenschäden nehmen zu. 2021 flossen mehr als 19 Milliarden Euro für Betrieb und Wartung in das deutsche Straßennetz, nur knapp 16 Milliarden Euro hingegen für neue Straßen.
Spiegel ihrer Zeit
Wer heute etwa in Einfamilienhaussiedlungen aus den 1950er und 1960er Jahren einbiegt, fragt sich spätestens bei der Parkplatzsuche, wie die Straßen und Wege zwei oder sogar drei Pkw pro Einfamilienhaus aufnehmen können. Das Befahren der engen Straßen und das Rangieren in den Mini-Garagenauffahrten sind in einem modernen Fahrzeug – es muss ja nicht einmal ein SUV sein – eine echte Herausforderung. Was für den boxermotorisierten VW-Käfer- oder revolvergeschaltete Renault-4-Lenker in der Wirtschaftswunderzeit noch locker ausreichte, bringt den 3er BMW-Fahrenden an seine Grenzen – Delle oder Lackkratzer beim Rangieren vorprogrammiert. Straßen waren immer schon Spiegelbild ihrer Zeit: Planung, Bau und Betrieb richten sich nach den aktuellen Anforderungen.
102 Meter pro Tag
Und diese sind stetig gestiegen. Früher, bei geringerem Verkehrsaufkommen und bei Fahrzeugen, die kleiner und leichter waren, reichten engere Orts- und Landstraßen sowie zweispurige Schnellstraßen ohne Standstreifen, um den Verkehr überschaubar bewältigen zu können. Das hat sich fundamental geändert: Nicht nur die Zunahme des Verkehrs und die immer größer und schwerer werdenden Fahrzeuge haben sich auf den Straßenbau ausgewirkt.
Auch eine Bevölkerung, für die grenzüberschreitende Mobilität in Europa eine Selbstverständlichkeit ist, und eine Wirtschaft, die mit Just-in-Time Europas Straßen zum größten Lagerhaus machen, tragen dazu bei, dass Verkehrs- und Siedlungsflächen stetig zunehmen. Laut statistischem Bundesamt wachsen diese pro Tag um 55 Hektar, was der Fläche von knapp 80 Fußballfeldern entspricht. Alleine in den vergangenen zehn Jahren wuchs das Autobahnnetz hierzulande um 102 Meter pro Tag. Und das ruft auch die Gegner auf den Plan. Straßen verbinden nicht nur, sie spalten auch: kaum eine Umgehungsstraße oder der Neubau einer Autobahn, die nicht durch Proteste und Bürgerbegehren verhindert werden sollen.