Schwierig, aber sicher

Kreisverkehre sind nicht nur für Fahrschüler ein kompliziertes Terrain. Aber sie sind gut für den Verkehrsfluss und es passieren dort kaum schwere Unfälle.

Wer seinen Führerschein vor 30 oder noch mehr Jahren gemacht hat, kommt bei der Fahrt im Fahrschulauto aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Wir haben viel mehr Stadtfahrten als früher“, sagt Fahrlehrer Christoph Hennings von der Euro-Fahrschule in Schwenningen. Mindestens 25 Stunden muss eine Schülerin oder ein Schüler bei der praktischen Ausbildung in der Stadt unterwegs sein. Doch meistens sind es viel mehr. Hinzu kommen die zwölf Pflichtfahrten für die Autobahn, Überland und bei Nacht.

Auf dem Gästesitz im Fond des Schulungsautos wird gleich klar, was der Grund für die viel anspruchsvolleren Anforderungen ist: In erster Linie sind es die Kreisverkehre. Hier ist es für die Fahranfänger kompliziert. „50 Prozent der gescheiterten Prüfungen enden im Kreisverkehr. Und da meist wegen Radfahrern“, erklärt Fahrlehrer Hennings. Diese hohe Durchfallquote ist verständlich angesichts der vielen Herausforderungen, die in einem Kreisverkehr auf Autofahrende warten.

Radfahrer und Fußgänger haben nicht immer Vorfahrt

Ganz schwierig ist, dass im und am Kreisverkehr nicht nur motorisierte Fahrzeuge, sondern auch Radfahrer und Fußgänger unterwegs sind. Wobei Radfahrer im Kreisverkehr grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten haben wie Autofahrer. Das heißt: Vorfahrt gewähren bei der Einfahrt. Sind die Radfahrer im Kreisverkehr, haben sie wiederum Vorfahrt gegenüber den Fahrzeugen, die einfahren wollen. Selbstverständlich müssen die Radfahrer ein Handzeichen geben, wenn sie aus dem Kreis fahren. Ein ganz häufiges Gefahrenmoment ist, wenn ein Autofahrer den Kreisverkehr verlassen will und rechts von ihm ein Radfahrer fährt, der im Kreisverkehr bleibt. Daher: Schulterblick nicht vergessen.

Auch bei Fußgängern gibt es Regeln, die kaum einer kennt und die im Fahrschulunterricht gelehrt werden: Wenn ein Fußgänger die Fahrbahn vor dem Kreisverkehr überqueren möchte, muss das Fahrzeug warten, das ausfährt. Bei der Übungsfahrt durch Schwenningen sind die meisten Fußgänger irritiert, wenn das aus dem Kreisverkehr fahrende Auto vor ihnen anhält. Dies zeigt, dass diese Verkehrsregel wirklich kaum geläufig ist. Anders wiederum ist es, wenn das Fahrzeug in den Kreisverkehr fährt, dann muss der Fußgänger warten. Völlig klar ist dagegen die Situation, wenn an jeder Straße vor dem Kreisverkehr ein Zebrastreifen ist: Dann müssen die Fahrzeuge beim Einfahren und beim Ausfahren anhalten. Dies alles nimmt einen breiten Raum bei der Ausbildung ein. Fahrschulinhaber Hennings schätzt, dass ein Schüler bis zur Prüfung mindestens 100 Kreisverkehre fährt. Und hier sehen Schüler und Lehrer die häufigsten Fehler der Autofahrenden. Sehr oft werde geblinkt und dann doch nicht aus dem Kreisverkehr gefahren, erzählt Hennings aus seiner täglichen Praxis. Gelegenheiten, die Unsicherheiten der altgedienten Fahrenden im Kreisverkehr zu beobachten, gibt es im Stadtgebiet von Villingen-Schwenningen reichlich.

Lastwagen über die Insel

Nach Angaben der städtischen Pressestelle („Die Kollegen haben die Anzahl im Stadtplan abgezählt“) gibt es 13 Kreisverkehre mit einer grünen Insel in der Mitte und sechs Minikreisverkehre. Die haben nur eine ganz flache Insel, die sogar gepflastert ist. Deshalb können Busse und Lastwagen darüberfahren, wenn sie für eine ordentliche Umfahrung zu groß sind. Aber dieses Sonderrecht steht nur diesen langen Fahrzeugen zu. Autofahrer, die aus Bequemlichkeit oder Unwissenheit die Abkürzung quer über die Insel nehmen, sind mit einem Strafzettel dabei.

Ab 1990 wieder gebaut

Bei allen Problemen, die Kreisverkehre für neue und alte Autofahrenden bieten, will Fahrlehrer Hennings diese Art der Verkehrsführung nicht mehr missen: „Der Kreisverkehr ist in Ordnung und sinnvoll, weil er den Verkehrsfluss erhöht.“ Dieser große Vorteil gegenüber einer Kreuzung mit Ampeln und entsprechenden Wartezeiten war auch der Grund, warum ab Anfang der 1990er-Jahre die Kreisverkehre in Deutschland wieder gebaut wurden. Für lange Zeit ab Ende der 1960er-Jahre waren die ursprünglichen Kreisverkehre zu Ampelkreuzungen verkommen. Andere Länder wie Frankreich haben diese „Fehler“ nie gemacht. Noch heute gibt es dort mit etwa 20.000 „Rond-points“ die höchste Dichte.

Zuverlässig und sicher

Die westlichen Nachbarn wissen warum: Der Verkehr im Kreisel ist nicht nur flüssiger, sondern auch sicherer. Zwar vergeht kaum ein Tag, ohne dass die Polizei in ihrem Präsidiumsbereich einen Unfall in einem Kreisverkehr meldet, doch die Kollisionen verlaufen meist glimpflich und ohne Verletzte. Der Grund dafür ist die relativ geringe Geschwindigkeit, mit der die Beteiligten unterwegs sind. In eine Kreuzung kann man hineinrasen – in einen Kreisverkehr nicht, und die Fahrzeuge im Kreisel müssen im engen Radius ihr Tempo anpassen. Auch wenn das Missachten der Vorfahrt mangels besseren Wissens häufig vorkommt, endet es meist nur mit Blechschäden. So ein Kreisverkehr stresst Fahrschüler und ist nicht leicht zu kapieren, aber er funktioniert: zuverlässig und ganz ohne Ampeln.

Titelbild: AdobeStock/rosifan19 
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1 Kommentar

  1. Alex Finsterbusch

    Als meine Frau vor einigen Jahren ihren Führerschein gemacht hat, waren die Anforderungen noch nicht so hoch wie heute. Doch ich denke, dass die aktuellen Regelungen, wie zum Beispiel die vielen Stadtfahrten und Pflichtfahrten auf der Autobahn, dazu beitragen können, dass Fahranfänger besser auf den Straßen zurechtkommen. Besonders interessant finde ich, dass Kreisverkehre eine so große Rolle in der Ausbildung spielen. Meine Frau hatte auch Schwierigkeiten im Kreisverkehr, aber mit Übung und dem Schulterblick konnte sie diese meistern. Es ist wichtig, dass Fahrschulen die Regeln für Radfahrer und Fußgänger im Kreisverkehr vermitteln, da diese oft nicht bekannt sind. Ich denke, dass eine gute

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