Man sieht eine Schale an einem Baum hängen, die die weiße Flüssigkeit auffängt, die aus der Rinde austritt.

Grünes Gummi:
Reifen mit Zukunft

Autofahren und Umwelt – zwei Themen, die sich vermeintlich widersprechen. Allerdings kann nicht nur der Umstieg vom Verbrenner auf Elektroantrieb dazu beitragen, die Umweltbelastung von Fahrzeugen zu verringern: Auch nachhaltigere Reifen sind ein wichtiger Beitrag für eine zukunftsfähige Mobilität.

Autoreifen sind in unserem Alltag omnipräsent – rund 200 Millionen von ihnen lassen die Pkw in Deutschland rollen. Aufeinandergelegt ergäbe das einen Stapel von 40.000 Kilometern. Jedes Mal, wenn ein Auto fährt, hinterlassen die Reifen Spuren: winzige Partikel aus Gummi, Kunststoffen und Chemikalien. Dieser Reifenabrieb gehört zu den größten Verursachern von Mikroplastik, das in Böden, Gewässer und schließlich in unsere Nahrungskette gelangt. 60.000 bis 100.000 Tonnen Abrieb entstehen nach Schätzungen des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik jährlich in Deutschland. Die Politik reagiert deshalb mit strengen Vorgaben, um Verbraucher und Hersteller beim Reifenabrieb künftig in die Pflicht zu nehmen. Viele von ihnen wissen kaum, dass Abrieb entsteht und wie stark ihr Fahrverhalten und die Wahl der Reifen diesen beeinflussen. Auch die bei der Reifenproduktion eingesetzten Materialien bieten großes Potenzial, die Pneus nachhaltiger zu machen. Schon heute gibt es umweltschonendere Alternativen. Es lohnt sich also, beim Reifenkauf genau hinzuschauen. Die Hersteller zeigen, dass Verbraucher mit den richtigen Reifen keine Kompromisse bei der Fahrleistung oder Sicherheit machen müssen – und gleichzeitig einen großen Beitrag zu mehr Umweltschutz leisten können. 

Alternativen mit Zukunft

Um zu verstehen, wie Reifen zu einer grüneren Zukunft beitragen, lohnt ein Blick auf den komplexen Aufbau. Der Reifenhersteller Michelin beispielsweise gibt an, rund 200 Materialien für seine Reifen zu verwenden. Nur rund 20 Prozent der eingesetzten Rohstoffe sind allerdings aktuell erneuer- oder recycelbar, nachhaltigere Ersatzstoffe zu finden ist eine echte Herausforderung. Die Hersteller forschen zum Beispiel an Alternativen für den Kautschuk, der aus dem tropischen Kautschukbaum gewonnen wird. Die Reifenindustrie ist mit mehr als 70 Prozent der größte Abnehmer der globalen Kautschukproduktion. Aber Pestizideinsatz, gerodete Anbauflächen und Monokulturen beim Abbau belasten die Böden, Gewässer sowie die Artenvielfalt.

Die Infografik zeigt einen aufgeschnittenen Reifen mit Beschriftung der verschiedenen Schichten.
Ein Reifen besteht aus vielen verschiedenen Schichten und Materialien.

Alltagsabfälle als Füllstoffe

Eine Alternative sind nachhaltigere synthetische Kautschuke, die schon seit den 1930er-Jahren in Mischungen mit Naturkautschuk verwendet werden. Michelin beispielsweise verpflichtete sich 2015 als erstes Unternehmen der Reifenbranche, keinen Kautschuk aus abgeholzten Gebieten zu verwenden. Darüber hinaus arbeitet das Unternehmen intensiv an weiteren Innovationen rund um biologisch erzeugte und regenerierbare Materialien. Auch Alltagsabfälle wie Plastikverpackungen, Maisstroh, Holzabfälle und Plastikflaschen sollen künftig für die Produktion von Reifen genutzt werden. Bis 2050 will der Reifenhersteller so Reifen zu 100 Prozent aus biologisch erzeugten oder recycelten Materialien herstellen. Auch Continental beschäftigt sich mit Ersatzlösungen für Naturkautschuk, dabei insbesondere mit russischem Löwenzahn. Diese Löwenzahn-Art ist einfach im Anbau, enthält einen hohen Gehalt an Naturkautschuk und wächst weltweit – ein entscheidender Vorteil gegenüber dem Kautschukbaum.

Bei für den Reifen wichtigen Füllstoffen wie Silika – zuständig für Grip, Rollwiderstand und Laufleistung – setzt Continental in der Herstellung auf Reishülsen anstatt auf Quarzsand, das ist energieeffizienter. Außerdem forscht das Unternehmen an einer Alternative zu rohölbasierten Füllstoffen. In Frage kommen pflanzliche Öle wie Rapsöl oder Harze, die auf Reststoffen der Papier- und Holzindustrie basieren.

Zu sehen ist ein futuristischer und luftloser Konzeptreifen.
Der Vision ist ein luftloser Konzeptreifen von Michelin. Er zeigt, wie das nachhaltige Entwicklungsmodell des Reifenherstellers 2025 aussehen könnte. Bild: Michelin

Straßenlage und Effizienz: können grüne Reifen mithalten?

Wenig Reifenabrieb und gute Straßenhaftung – ein klassischer Zielkonflikt. Denn eine sichere Straßenlage geht häufig mit einem hohen Abrieb einher. Die Herausforderung für die Hersteller besteht also darin, beides bestmöglich zu vereinen, ohne Einbußen bei sicherheitsrelevanten Eigenschaften. Dass das möglich ist, zeigt Michelin: Die Reifen des Unternehmens schneiden bei unabhängigen Reifentests immer wieder sehr gut ab, gleichzeitig sind sie beim Reifenabrieb vorbildlich: Laut ADAC-Test liegt der Abrieb von Michelin-Reifen mit 95 Gramm pro 1.000 Kilometer deutlich unter dem Durchschnitt der getesteten Reifen von 120 Gramm pro 1.000 Kilometer. Bereits seit 2005 forscht das Unternehmen daran, den Abrieb immer weiter zu reduzieren und die verwendeten Materialien zukünftig biologisch abbaubar zu machen.

Ähnlich bei Continental: Im Sommerreifentest des ADAC überzeugte der EcoContact 6 mit einem geringen Abrieb von 59 Gramm pro 1.000 Kilometer – der Bestwert aller ausgewerteten Reifenmodelle. Das Modell UltraContact NXT aus 65 Prozent nachwachsenden, widerverwerteten Materialien hat im EU-Reifenlabel Bestnoten in den Bereichen Rollwiderstand, Nassbremsen und Außengeräusche erhalten. Genau wie Michelin setzt auch Continental auf intensive Forschungsarbeit. Beide Hersteller zeigen also, dass es möglich, ist Nachhaltigkeit, Sicherheit und Langlebigkeit zu vereinen.

Die Infografik zeigt, aus welchen Materialien der Ultra Contact NXT von Continental besteht.
Der Ultra Contact NXT ist ein Reifen aus 65 Prozent nachwachsenden oder wiederverwerteten Materialien von Continental. Bild: Continental

Nachhaltigkeit rollt nur mit klaren Regeln

Häufig stehen noch die höheren Preise solcher Reifen einer breiten Akzeptanz bei Verbrauchern im Weg. Die Kosten zählen neben Sicherheitsaspekten zu den wichtigsten Faktoren beim Reifenkauf. Zudem wissen viele Autofahrer schlicht nicht, dass es solche Reifen gibt. Verordnungen und Regularien wie die Schadstoffnorm Euro 7 oder die EU-Verordnung für das Ökodesign nachhaltiger Produkte (ESPR) sind deshalb wichtige Hebel, um den Druck auf Hersteller – und damit auch auf die Verbraucher – langfristig zu erhöhen. Wenn Nachhaltigkeit beim Reifenkauf künftig mitgedacht wird, ist das ein großer Schritt in Richtung grüne Zukunft.

Titelbild: AdobeStock/Paitoon
Zurück zur Startseite

Kommentieren

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen