Als Bertha Benz vor rund 130 Jahren mit dem ersten Automobil fuhr, hätte sie kaum gedacht, dass das Auto die Massen erobern oder gar selbstständig fahren wird. Heute ist dieser Zukunftsgedanke zum Greifen nah: ein Erfahrungsbericht mit BerthaOne.
Wir fahren auf eine Kreuzung zu. „Bremsen, breeemseeeen“, schießt mir durch den Kopf. Mein rechter Fuß drückt sich auf der Suche nach dem Bremspedal in die Fußmatte. Allerdings hilft das nichts, denn ich sitze auf dem Beifahrersitz eines vollautomatisierten Fahrzeugs – und nicht in einem Fahrschulauto. Wobei der Begriff Fahrschulauto gar nicht so verkehrt ist.
Video: Autonomes Fahren – Wie funktionieren autonome Fahrzeuge?
Maximilian Naumann, Ingenieur am FZI Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe, ist heute unser Sicherheitsfahrer – oder Fahrlehrer, wie er sagt. Allerdings bringt er nicht Menschen bei, wie man ein Auto fährt, sondern er unterrichtet BerthaOne darin, wie es sich sicher und vor allem auch selbstständig im Straßenverkehr bewegt. Zumindest weiß BerthaOne schon, dass sie bei einer roten Ampel bremsen muss. Meine Ängste sind also völlig unbegründet.
Was wir Menschen unbewusst wissen, musste das System erst lernen.
Christian Hubschneider
Stellvertretender Abteilungsleiter am FZI Forschungszentrum Informatik
Button TextTechnik so weit das Auge reicht
BerthaOne ist keine gewöhnliche Mercedes-E-Klasse, sondern eines der Forschungsfahrzeuge des FZI. Ihr Name ist ein Tribut an die Automobilpionierin Bertha Benz. BerthaOne ist voll mit Technik: sechs Kameras, mehr als 20 Sensoren, GPS, ein Kofferraum gespickt mit Computern und Kabeln. Maximilian Naumann startet das Auto nicht nur mit dem Schlüssel, sondern auch mit ein paar Befehlen, die er auf einer Tastatur eingibt. Auf einem der großen Bildschirme sehe ich, wie das System hochfährt. Unsere Fahrt auf dem Testfeld Autonomes Fahren Baden-Württemberg beginnt. Ich bin gespannt und aufgeregt zugleich.
Fußgänger – was ist das?
BerthaOne lenkt, beschleunigt und bremst von allein. Nebenbei kommuniziert sie mit der Kreuzung. Irgendwie gespenstisch. Dank der zahlreichen Sensoren entgeht ihr kein Detail. Auf einem Bildschirm kann ich in einer Ansammlung von Punkten Fußgänger, Radfahrer und andere Fahrzeuge erkennen, die sich in unserer Nähe aufhalten. „Was wir Menschen unbewusst wissen, musste das System erst lernen: Wie sieht ein Fußgänger aus? Wie bewegt er sich? Durch die Analyse zahlreicher Daten hat eines der Systeme im Fahrzeug sich angeeignet, wie Menschen typischerweise in Punktwolken aussehen. Egal ob es die Oma mit Rollator, ein Kind oder ein Erwachsener ist“, erklärt Christian Hubschneider, stellvertretender Abteilungsleiter am FZI Forschungszentrum Informatik.
Das Ende des echten Autofahrers?
Der kurze Ausflug in die Zukunft regt meine Fantasie an: Wie wird sich unsere Mobilität durch automatisiertes Fahren verändern? Was macht das automatisierte Fahren mit uns, wie beeinflusst es unser Leben? Wie werden unsere Straßen in Zukunft aussehen? Werden wir noch Verkehrszeichen und Ampeln haben? Wird es irgendwann überhaupt noch echte Fahrer geben? Und die Frage aller Fragen: Wann wird es soweit sein? Leider konnte mir darauf niemand eine konkrete Antwort geben.
Fakt ist: Wir befinden uns aktuell auf Stufe 2 des automatisierten Fahrens. Es gibt auch schon Fahrzeuge in Serienreife, die Level-3-fähig sind, allerdings sind diese Funktionen noch nicht für den Straßenverkehr zugelassen. „Vollautomatisierte Fahrzeuge (Stufe 4), beispielsweise Taxen oder Personenshuttles, die in einem bestimmten Gebiet selbstständig fahren, werden in rund fünf Jahren wahrscheinlich zum Alltag gehören“, prognostiziert Hubschneider.
Tessa Blatt
Ist fasziniert davon, was BerthaOne alles kann und freut sich auf die Zukunft unserer Mobilität. Bis dahin hält sie das Steuer aber fest im Griff.