Das große Basteln (2/2)
Roboter und Zulieferer bauen mit

Die Automobilproduktion wird bis in die Gegenwart von großen Fabriken mit Fließbandproduktion dominiert. Allerdings arbeiten heute mehr und mehr Industrieroboter an den einzelnen Stationen der unterschiedlichen Fertigungsbereiche.

Sie übernahmen die monotone und anstrengende Arbeit der Bandarbeiter. Weil seit den 1970ern in der Automobilproduktion mehr und Flexibilität gefordert war, wurde der starre Fließbandtakt auf Gruppenfertigung umgestellt. Arbeitsteams waren jetzt für mehrere Arbeitsschritte zuständig. Henry Fords Produktionsrevolution hatte ausgedient. Das war auch die Stunde der Automobilzulieferer. Sie gelten in der Branche heute als die heimlichen Hersteller. Man stelle sich nur ein Auto ohne Teile von Bosch, Continental oder ZF vor: Viel Auto bliebe da nicht mehr übrig. Heute stammen etwa dreiviertel aller Komponenten eines Automobils von Zulieferern, die es weltweit auf Milliardenumsätze bringen.

Fertigungsroboter montieren eine Rohkarosserie in einer hochmodernen und -automatisierten Produktionslinie im Opel-Werk in Rüsselsheim.
Roboterwald: eine Produktionslinie von Opel im Rüsselsheim.

Golf 1 bis 8 – eine Familie, zwei Welten

Ein Grund: Viel zu komplex und vielschichtig sind Entwicklung und Beschaffung sämtlicher Materialien für moderne Fahrzeuge geworden – was übrigens auch Auswirkungen auf die Arbeit in Autowerkstätten3 hat. Viele Hersteller haben heute nur noch den Karosserie- und Motorenbau unter dem eigenen Dach, der Rest wird zugekauft. Schätzungen gehen sogar davon aus, dass der Anteil zugekaufter Komponenten auf weit über 80 Prozent steigen wird. Da wird klar, dass ein Golf 8 von 2023 mit einem 1923er Ford Model T aus Stahl, Holz und Leder auch produktionstechnisch überhaupt nicht mehr vergleichbar ist. Auch einen Golf 8 und seinen ältesten Bruder, den Golf 1, trennen Welten. Rund 2.700 Einzelteile und fertig angelieferten Komponenten sowie rund 1,6 Kilometer Kabel – beim Golf 1 waren es 214 Meter – müssen rund 9.000 Mitarbeitenden im Stammsitz in Wolfsburg zusammenbauen. Von der Anlieferung der Bleche im Werk legt der Golf 8 ganze 69 Kilometer auf den Produktionslinien zurück, bis er die Fabrik verlässt.

Ein Arbeiter steht an einem Steuerpult an einer hochmodernen Produkti-onslinie und überwacht die Hochzeit eines Automodells. So wird das Zu-sammenführen von Karosserie und Motor mitsamt Fahrwerk in der Auto-mobilproduktion bezeichnet.
Ein wichtiger Moment: Bei der sogenannten Hochzeit werden Chassis und Karosserie zusammengeführt.

Entwicklung auf links gedreht

Im vergangenen Jahr liefen weltweit mehr als 72 Millionen Pkw vom Band. Alleine in Europa gibt es rund 300 Automobilwerke – in Deutschland sind es 44. Die meisten Werke stehen dabei vor der nächsten großen Umwälzung, denn Elektrifizierung, Vernetzung, automatisiertes Fahren und die Digitalisierung in der Produktion sind die Treiber einer neuen Automobilproduktion. Unter dem Schlagwort „Transformation“ müssen Hersteller heute auch die Art und Weise, wie Sie ihre Fahrzeuge bauen, neu denken. „Smart, lean und green“, sagt Bernd Würsching, der bei Porsche in Zuffenhausen Infrastrukturprojekte leitet.

Weiße Lackierroboter lackieren eine Porsche Karosserie in grell-oranger Farbe.
Wie von Geisterhand: vollautomatisierte Lackiererei bei Porsche.

Automobilwerke werden zu „Smart Factories“, in denen hochtechnisiert und automatisiert fortschrittliche Technologien wie künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge (IoT) und intelligente Robotik zum Einsatz kommen. Ziel ist es, die Produktion flexibler, agiler und maßgeschneiderter zu gestalten. Das geht sogar so weit, dass die Fahrzeugentwicklung auf „links“ gedreht wird. In einem Handelsblatt-Beitrag erklärt Opel-Personalchef Ralph Wangemann, was damit gemeint ist: „Fahrzeuge werden von innen nach außen entwickelt – von den Anwendungen und Schnittstellen im Cockpit zur passenden Antriebs- und Karosserieform. Diese Transformation wird Opel-Fahrzeuge von den heutigen elektronischen Architekturen auf eine offene Software-definierte Plattform überführen, die sich nahtlos in das digitale Leben der Kundinnen und Kunden einfügt.“

Musk macht den Ford

Tesla geht in Sachen Lean Production noch einen Schritt weiter: Elon Musk hat mit seiner E-Auto-Marke nicht nur den Automarkt kräftig aufgemischt, er und seine Unternehmen rütteln jetzt auch an den Grundfesten der Automobilproduktion. Wenn Ende 2024 ein neues Tesla-Werk in Mexiko an den Start geht, dann werden dort Teslas nach der sogenannten Unboxed-Methode hergestellt. Dabei müssen fertig angelieferte Modulgruppen nur ausgepackt (englisch: unboxed), an einen durchgängig gegossenen Unterboden montiert und mit einem Batteriepaket verbunden werden. Stanzen, Schweißen, Lackieren, also Arbeiten, die bisher beim Hersteller stattfanden, werden dann an die Zulieferer übertragen. Alle 45 Sekunden soll ein Tesla vom Band rollen, in einer Fabrik, die mit 40 Prozent weniger Raum auskommt als Werke mit vergleichbarer Produktionskapazität. Damit könnte Elon Musk wie seinerzeit Henry Ford die Automobilproduktion grundlegend revolutionieren.

Zurück zur Startseite

Kommentieren

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

1 Kommentar

  1. Interessant ist, dass bereits 1970 in der Fließbandarbeit auf Gruppenfertigung umgestellt wurde. Ich möchte jetzt etwas mehr über Fließbandarbeit lernen, um meiner Tante helfen zu können. Sie möchte überlegt bald auch für ihre Firma ein Fließband mit Linearführung aufzubauen, um effizienter produzieren zu können.

Nach oben scrollen