Seit 20 Jahren setzt sich der Euro NCAP Verband für mehr Sicherheit im Straßenverkehr ein und bewertet Autos anhand von Crashtests. Wir sprachen mit NCAP-Manager Aled Williams über das Testverfahren.
Welche Hindernisse stellen Sie den Fahrzeugen bei den Tests in den Weg?
Wir machen beim NCAP-Test zwei Frontalcrashs, einen gegen eine starre Wand und einen gegen ein flexibleres Hindernis aus Aluminium. Das soll den Aufprall auf ein anderes Auto simulieren. Beim Seitentest steuern wir das Auto erst gegen eine stabile Stahlsäule und dann gegen eine aus Aluminium. Natürlich sitzen bei uns keine Menschen im Auto, sondern nur Dummys, also lebensgetreu modellierte Puppen. Auch um den Fußgängerschutz zu testen, setzen wir Dummys ein und steuern das Auto gegen unsere Fußgänger-Dummys. Das Auto beschleunigen wir über Schleppseile auf 50 bis 60 Stundenkilometer, je nach Testsituation.
Und viele Autos werden pro Crashtest zerstört?
Während eines typischen Testdurchlaufs schrotten wir fünf Modelle. Jeweils zwei gehen während der Frontal- und Seitencrashs gegen flexible und starre Hindernisse kaputt und eins ist in der Regel nicht mehr zu gebrauchen, nachdem wir den Fußgängerschutz überprüft haben.
Nach welchen Kriterien entscheidet NCAP, welche Autos getestet werden sollen?
Die Mitgliedsorganisationen können prinzipiell jedes Auto testen, das in Europa verkauft wird und für das noch keine gültige Euro NCAP Bewertung vorliegt. In der Regel wählen die Mitglieder Fahrzeuge aus, die für ihren Heimatmarkt interessant sind. Außerdem fokussieren sie sich meist auf beliebte Fahrzeugmodelle, um die größte Anzahl von Autofahrern zu erreichen. Einige Mitglieder wählen aber auch bewusst Nischenfahrzeuge aus, die sonst wohl nicht getestet werden würden.
Auch Autohersteller können einen Crashtest veranlassen, indem sie ihn sponsern. Beeinflusst das den Crashtest?
Nein, der Test ist standardisiert und verläuft immer nach dem gleichen Muster. Da sind wir unbestechlich.
Wie oft aktualisiert NCAP das Testverfahren und sind gerade Änderungen geplant?
Alle fünf Jahre geben wir eine Roadmap heraus, in der wir notwendige Anpassungen skizzieren. Zurzeit folgen wir der 2015 bis 2020 Roadmap. Für das kommende Jahr sind Änderungen geplant, die automatische Bremssysteme einbeziehen. Wir arbeiten auch schon an der Roadmap für den Zeitraum 2020 bis 2025. 2020 möchten wir den frontalen Crashtest mit einem ganz neuen Verfahren machen und auch das Verfahren für den Seitenaufpralltest anpassen.
Mittlerweile werden auch Sicherheitsassistenzsysteme überprüft. Warum war dieser Schritt notwendig?
Vor zehn Jahren erkannten wir, dass wir das Testsystem aktualisieren mussten: Erstens erreichten inzwischen fast alle von uns getesteten Autos vier oder fünf Sterne. Den Fußgängerschutz überprüften wir aber separat, was die Aussagekraft des Tests minderte. Zweitens gab es inzwischen Assistenzsysteme, die erheblich zur Fahrzeugsicherheit beitrugen, die wir aber noch gar nicht berücksichtigten. 2009 starteten wir deshalb mit einem aktualisierten Bewertungssystem, welches die Sicherheit von Fußgängern und die neuen Sicherheitssysteme einbezog. Das System ist seither flexibler und Fahrzeughersteller berücksichtigen die Assistenzsysteme viel stärker bei der Entwicklung neuer Autos.
In einigen Ländern nimmt man es leider mit der Gurtpflicht nicht so genau, dort können selbst so einfache Systeme wie Erinnerungen zum Angurten Leben retten.
Button TextUnd überprüft NCAP regelmäßig, welche Sicherheitssysteme getestet werden sollen?
Wir sehen uns neue Technologien immer genau an und prüfen, ob diese entscheidend zur Fahrzeugsicherheit beitragen oder nicht. Wenn dies der Fall ist, nehmen wir die neuen Systeme so schnell wie möglich in das Testverfahren auf. Dadurch ermutigen wir die Autobauer, diese Sicherheitssysteme bei neuen Fahrzeugen zu integrieren.
Welche Assistenzsysteme halten Sie persönlich für absolut notwendig?
Alle Assistenzsysteme sind sehr wichtig. Besonders notwendig finde ich den Notbremsassistenten. Hier werden wir die Tests in Zukunft deutlich ausweiten und anpassen. In einigen Ländern nimmt man es leider mit der Gurtpflicht nicht so genau, dort können selbst so einfache Systeme wie Erinnerungen zum Angurten Leben retten. Das größte Sicherheitspotenzial liegt im automatisierten Fahren, schließlich verursachen immer noch Fahrfehler die meisten Unfälle. Aber generell sollte die Autobranche lieber nichts überstürzen – im Moment sind selbstfahrende Autos noch Zukunftsmusik.
Zuletzt noch Ihre Einschätzung: Wie viel sicherer sind Autos seit 1997 geworden?
Als wir anfingen haben die meisten Autos unseren Frontalaufpralltest nicht überstanden. Heute können Autos die Aufprallenergie aufgrund einer besseren Materialzusammensetzung, Konstruktion und eines optimierten Designs viel besser abfangen. Zu dieser positiven Entwicklung hat der NCAP-Test, obwohl er nicht verpflichtend ist, entscheidend beigetragen. Schwere Unfälle sind heute zum Glück seltener geworden, aber sie passieren noch viel zu häufig. Es liegt also noch ein bisschen Arbeit vor uns.