Die Zahl der Autodiebstähle in Deutschland ist zuletzt wieder gestiegen. Klingt überraschend, ist es aber nicht unbedingt. Schlüssellose Zugangssysteme reißen neue Sicherheitslücken auf.
So stellt man sich den typischen Autodieb vor: Ein Typ in dunklem Hoodie und Kapuze über dem Kopf, der eine Seitenscheibe aufdrückt, das Lenkradschloss mit einem Schraubenzieher knackt, die Zündung kurzschließt und sich davonmacht. Das war einmal: Moderne elektronische Wegfahrsperren lassen sich mit physischer Gewalt nicht überwinden. Allerdings gibt es heute viel subtilere Möglichkeiten für den Autoklau, und sie werden zunehmend genutzt: Wer sich im Internet für überschaubare Beträge das nötige Zubehör besorgt, dem stehen viele Fahrzeuge offen – ganz ohne Gewalt und Kratzer, selbst luxuriöse Modelle.
Keyless ist bequem, aber auch riskant
„Die meisten Autos mit Keyless-Zugangssystem sind deutlich leichter zu stehlen als Fahrzeuge mit normalem Funkschlüssel“, warnt der Automobilclub ADAC. Seit 2016 testen seine Experten schlüssellose Schließsysteme der Autohersteller – und kommen immer wieder zum gleichen Ergebnis: Der allergrößte Teil ist nicht wirksam gesichert gegen das Abfangen oder Verlängern der Funksignale. Aktuell listet die ADAC-Testdatenbank 700 Fahrzeugmodelle, nur knapp jedes Zehnte ist in dieser Hinsicht unbedenklich, so die Tester.
Als „Keyless“, „Keyless Go“ oder „Keyless Entry“ stehen die schlüssellosen Komfortsysteme in den Ausstattungslisten der Hersteller. In vielen Modellen oberhalb der Kleinwagenklasse ist die Technik serienmäßig an Bord. Wenn nicht, ist sie häufig als Sonderausstattung für einen dreistelligen Euro-Betrag bestellbar. Weil die Komfortsysteme gern in ansonsten attraktive Ausstattungspakete gepackt werden, können Autokäufer ihnen kaum mehr aus dem Weg gehen. Sie sind ja auch hübsch komfortabel: Wer sich an das schlüssellose Türöffnen und Motorstarten erst einmal gewöhnt hat, möchte es nicht mehr missen.
Immer auf Sendung, immer auf Empfang
Man muss kein Knöpfchen mehr drücken, muss den Transponder nicht einmal aus der Tasche nehmen: Schlüssel und Auto kommunizieren unablässig über Funk. Das Auto sendet niedrigfrequente Signale (LF) für den Schlüssel aus, der wiederum sendet seinen Befehl zum Öffnen ultrahochfrequent (UHF) an das Fahrzeug. Sind sich beide nah genug oder berührt der Fahrer den Türgriff, wird der Wagen entriegelt. Die Möglichkeit, den Funkimpuls manuell auszulösen, gibt es in vielen Systemen noch. Sie wird aber im Alltag nur selten genutzt, und genau das ist das Problem: „Schließsysteme, die keine Interaktion am Schlüssel erfordern, sind prinzipiell unsicher“, sagt ein IT-Experte. „Weil das Auto regelmäßig sendet und der Schlüssel immer auf Empfang ist, lässt sich ihre Kommunikation leicht manipulieren.“
Funkkontakt lässt sich einfach abfangen
Verfügen Diebe über das notwendige Equipment und Know-how, ist der Autoklau für zwei Beteiligte vergleichsweise simpel in die Tat umzusetzen. Stellt das Diebstahlopfer sein Fahrzeug ab und entfernt sich, folgt ihm einer der beiden Diebe und fängt mit einem Sensor das Funksignal des Schlüssels ab. Die benötigten Sensoren sind nicht groß und können vom Täter in der Hand oder der Tasche getragen werden. Der zweite Täter geht währenddessen zum Auto und berührt den Türgriff. Das interpretiert der Wagen als Aufforderung, ein Keyless-Entry-Signal zu versenden. Mit dem abgefangenen Code funkt Täter Nummer eins das Signal zum Entriegeln ans Fahrzeug, und schon stehen alle Türen offen. „Läuft der Motor erst einmal, kann man das Auto so lange fahren, wie Sprit im Tank ist. Es darf eben nie der Motor ausgehen. Wenn die Diebe bei laufendem Motor nachtanken, können sie mit einem gestohlenen Wagen sehr weite Strecken zurücklegen, bevor ihre Tat entdeckt wird“, so das Fazit der ADAC-Experten.
Besserer Diebstahlschutz im automobilen Oberhaus
Eine unüberwindbare Sicherheitsblockade sind ihren Tests zufolge nur Keyless-Systeme mit Ultra-Wide-Band-Sendern (UWB). Sie lassen sich mit der von Kriminellen üblicherweise verwendeten Technik nicht ausmanövrieren. UWB-Systeme erkennen, ob sich der Sender des Autoschlüssels tatsächlich in Fahrzeugnähe befindet. Diese Technik setzen Marken wie BMW, Hyundai, Genesis, GWM, Jaguar, Kia, Land Rover, Mercedes, Suzuki und der VW-Konzern für ihre hochpreisigen Modellreihen ein.
Hausmittel helfen bedingt
Einen gewissen Diebstahlschutz auch ohne UWB-Technik bieten so simple Maßnahmen wie Funkschlüssel nicht in der Nähe von Türen und Fenstern aufzubewahren. Und wer in einer verschlossenen Garage parkt, baut naturgemäß eine weitere Diebstahlhürde ein. Der Zubehörhandel bietet darüber hinaus spezielle Etuis an, die gegen Funkstrahlung abgeschirmt sein sollen. Das lässt sich einfach ausprobieren: Wenn man den abgeschirmten Schlüssel in Fahrzeugnähe bringt, sollte sich das Fahrzeug nicht entriegeln. Falls doch: Beim Verkäufer zurückgeben und sich den Kaufpreis erstatten lassen. Durchaus sinnvoll ist auch die Empfehlung der ADAC-Experten, einen Blick in die Betriebsanleitung zu werfen: Manche Keyless-Systeme lassen sich deaktivieren. Dann ist zwar der Schlüssellos-Komfort weg, doch das Fahrzeug lässt sich nicht mehr per Signal-Klau knacken.