Die digitale Welt erfindet sich in immer kürzeren Abständen neu – und die Autowelt fährt komplett auf diesen Trend ab.
Einfach nur als Fahrzeug legt sich heute kaum mehr jemand ein Auto zu. Unterhaltung und Vernetzung sind ein must-have – für die Autoindustrie sind sie ein must-offer. Die Treiber des Wandels sind das mobile Internet, immer leistungsfähigere Onboard-Rechner, die scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten der Benutzeroberflächen und – wie könnte es anders sein? – Künstliche Intelligenz. Ein Überblick aktueller Technik-Trends.
Mehr Rechenleistung
Die Zeiten, als die Zylinderzahl eine Währung für das Wow eines Autos war, sind vorbei. Heute fragt das Publikum, welche Zulieferer die Mikrochips für die Bordrechner und Infotainment-Systeme beisteuern und welche Datenmengen sie bewältigen. TeraFLOPS ist das neue Zauberwort für die Leistungsfähigkeit der Elektronik-Hirne im Auto. Wobei FLOP nicht wie Flop zu verstehen ist, sondern bedeutet: Floating Point Operations per Second. Mit Tera- bewegt die Leistung sich im Bereich von Billionen Rechenvorgängen pro Sekunde – verdammt schnell. Gebraucht wird die Rechenleistung in erster Linie, um den Überblick über die Subsysteme im Auto zu behalten.
In der jüngeren Vergangenheit haben die Autohersteller nämlich an allen Ecken und Enden ihrer Fahrzeuge neue Funktionen und Systeme dazugebaut, die eigene Rechenzentren mit an Bord brachten. Leider kommunizieren diese Systeme nur selten in einem gemeinsamen Datenformat miteinander. Das soll sich mit sogenannten domänenübergreifenden Elektronik-Architekturen ändern, in denen ein starker Zentralrechner alle Bordsysteme im Blick und im Griff hat und sie koordiniert. Damit sind die neuen Super-Chips aber längst nicht ausgelastet, sie haben Kapazitäten für noch mehr Features.
Mehr Vernetzung
Mobiles Internet und Automobil passen ja irgendwie zusammen. Das schnelle WLAN für unterwegs schafft neue Möglichkeiten. Das können Unterhaltungsfunktionen sein wie das Streamen von Filmen über das Display im Auto (selbstverständlich nur auf der Beifahrerseite oder in der zweiten Reihe) oder die Musik von der Smartphone-Playlist, die über das Soundsystem an Bord gleich viel besser klingt. Aber auch Mehrwertdienste sind im Kommen: das Smartphone als Fahrzeugschlüssel, spontanes Carsharing mit einer Mobilfunk-App, agiles Flottenmanagement für Firmen oder Autovermieter. Richtig spannend wird es, wenn ein Kapitel aufgeschlagen wird, das die Industrie derzeit in Forschung und Entwicklung vorbereitet: das Vernetzen von Fahrzeugen untereinander und mit der Verkehrsinfrastruktur.
Kühne Visionen
Die Vision klingt verlockend: weniger Staus, besserer Verkehrsfluss, weniger Unfälle. Und so könnte es funktionieren: Vernetzte Fahrzeuge auf dicht befahrenen Straßen koordinieren sich über die Routenempfehlungen ihrer Navigationssysteme. Der virtuelle Schwarm weiß, welches Ziel die einzelnen Fahrer haben und verteilt ihre Routen so über das Straßennetz, dass jeder möglichst schnell ankommt. Auch die Infrastrukturen, zum Beispiel Ampeln oder variable Geschwindigkeitsregelungen, sind Teil des Netzes. Ampeln beispielsweise takten ihre Phasen nachfrageabhängig ein, da sie wissen, wie viele Fahrzeuge aus welcher Richtung und mit welchem Ziel gerade unterwegs sind. Auch das Unfallrisiko lässt sich senken, da die Fahrzeuge sich gegenseitig vor Gefahrenstellen warnen könnten.
Das klingt so, als ob man Fahrerin oder Fahrer irgendwann gar nicht mehr braucht? Ja, das könnte der Hintergedanke sein. Oder anders gesagt: Smarte Autos sind die Voraussetzung für automatisiertes Fahren, das sich viele Fahrzeughersteller auf die Fahnen geschrieben haben. So weit allerdings ist es noch lange nicht, deshalb gibt es den Technik-Trend.
Mehr Aufpasser
Die folgenreichsten Unfälle im Straßenverkehr sind wie eh und je auf Fehler des Fahrers oder der Fahrerin zurückzuführen. Mehr Sicherheit hat man in der jüngeren Vergangenheit mit immer neuen Assistenzsystemen erreicht. Dieser Trend geht weiter. Ab Juli sind für erstzugelassene Autos unter anderem sogenannte Aufmerksamkeitsassistenten, auch Müdigkeitswarner genannt, Pflichtausstattung. Dafür gibt es grundsätzlich zwei technische Wege. Viele Systeme schließen aus den Lenkbewegungen des Fahrzeugs auf die Aufmerksamkeit des Menschen am Steuer. Ein typisches Muster für Müdigkeit ist etwa, dass längere Zeit kaum oder gar nicht gelenkt und dann plötzlich scharf korrigiert wird. Neuere Systeme sind kamerabasiert und beobachten Mimik und Körperhaltung von Steuerfrau oder Steuermann. An dieser Stelle kann dann schon KI ins Spiel kommen. Wenn der Assistent „lernt“, wie der Mensch am Steuer üblicherweise agiert, erkennt er Abweichungen von diesen Mustern. Wenn er sie für Müdigkeit hält, wird er aktiv und fordert zu einer Pause auf. Ignoriert man den freundlichen Hinweis, hat das allerdings keine Konsequenzen – noch nicht.
Eher zur unterhaltsamen Seite gehört der Trend, Chatbots ins Infotainment und die Steuerung von Funktionen zu integrieren. Amazon Alexa oder Siri hören im Auto auf’s Wort, oder die Hersteller denken sich gleich einen (gerne weiblich wirkenden) Avatar aus, der in die Rolle einer virtuellen Beifahrerin schlüpft und der Fahrerin oder dem Fahrer assistiert. Damit diese Illusion bestmöglich wirkt, gibt es den Trend.
Mehr Display
Die wichtigsten Fahrzeuginformationen hinter dem Lenkrad auf analogen oder digitalen Rundinstrumenten Im Blick zu haben, war gestern. Heute und morgen schwingen sich Riesen-Displays formatfüllend von Fahrertür zu Beifahrertür. Um nur fahrrelevante Informationen oder eine Navigationskarte abzubilden, sind sie viel zu gut. Sie geben dem Begriff Autokino eine ganz neue Bedeutung, sind Multimedia-Spielwiesen und Telefonzentralen, die mit Fingerbewegungen auf dem Touchscreen dirigiert werden. Im hochpreisigen Bereich erzeugen die Displays mittlerweile dreidimensionale Tiefe, was beispielsweise die mitfahrenden Avatare verblüffend realistisch wirken lässt. Der Rest der digitalen Autowelt wird gewiss nicht lange auf solche Gimmicks warten müssen. Das bunte Innovationsfeuerwerk gehört zum Geschäft.