Gesundheitscheck
für den Akku

Wie fit ist die Batterie des Stromers noch? Das ist die entscheidende Frage auf dem Gebrauchtwagenmarkt für E-Autos. Die Wege zur verlässlichen Antwort.

Trotz Absatzflaute ist die Zahl batterieelektrischer Autos auf den Straßen mittlerweile so hoch, dass der Gebrauchtwagenmarkt in Schwung kommt. Doch was entscheidet über den Wert eines gebrauchten Stromers? Anders als bei Autos mit Verbrennungsmotor geben das Alter und die zurückgelegten Kilometer keinen Anhaltspunkt dafür, wie gesund das Herz des Wagens ist: die Batterie. Die Lebensdauer des Hochvolt-Akkus hängt nämlich erheblich davon ab, wie das Fahrzeug genutzt und wie die Batterie geladen wurde.

Ladevorgänge hinterlassen Spuren

Der Akku ist das teuerste Bauteil eines Stromers, und er altert. Nicht nur die Jahre und die klimatischen Bedingungen setzen ihm zu, auch Schnellladevorgänge hinterlassen Spuren. Während des Schnellladens erwärmt sich der Akku stärker als bei langsamem Laden. Die höheren Temperaturen beschleunigen die inneren chemischen Prozesse und können zu schnellerem Verschleiß und Kapazitätsverlust führen. Zwar gibt es auch Fahrzeuge, die den Zustand der eigenen Batterie visualisieren, doch „der von den Batterie-Managementsystemen der Fahrzeuge angezeigte ‚State of Health‘, kurz SoH, macht keine verlässliche Aussage über den tatsächlichen Zustand des Akkus“, sagt Matthias Schubert, Mobilitätsexperte beim TÜV Rheinland. In der Praxis weichen die angezeigten und die tatsächlich gemessenen Werte oft stark voneinander ab. „Doch nur ein exakt analysierter Batteriezustand ermöglicht auch eine präzise Restwertermittlung,“ so Schubert.

Aus Daten des Ladevorgangs und der OBD-Schnittstelle ermittelt das Batteriediagnose-System „E-Health Charge“ des Automobilausrüsters Mahle die Batteriekapazität. Bild: Mahle

Deshalb besteht bei Verkäufern ein steigender Bedarf an unabhängigen Bewertungen des Batteriezustands, des sogenannten State of Health. Es gibt mittlerweile mehrere Wege, sich die Restkapazität einer Batterie zertifizieren zu lassen. Für Werkstätten bieten beispielsweise die Ausstatter Mahle und Hella Gutmann Batteriediagnosen an. Bei Mahle trägt das Batteriediagnose-System den Namen „E-Health“. Es umfasst ein DC-Batterieladegerät „E-Charge 20“ und eine App „E-Health Charge“. Die Messung erfolgt fahrzeug- und herstellerunabhängig und wird mit Daten des Onboard-Diagnose-Ports (OBD) ergänzt. Die Ergebnisse werden in einer Cloud des Batteriespezialisten Volytica Diagnostics in Dresden ausgewertet, in Relation zu bereits erfassten Batterien des gleichen Typs gesetzt und mit der ursprünglichen Kapazität des Fahrzeugmodells verglichen. Das System ermöglicht einen Akkucheck innerhalb von 15 Minuten, ohne dass das Auto bewegt wird.

Werkstattdiagnosen beanspruchen wenig Arbeitszeit

Eine alternative Lösung für Werkstätten bietet Hella Gutmann mit dem „Battery Quick Check“, der gemeinsam mit dem TÜV Rheinland entwickelt wurde. Für den Batterietest nutzen die Werkstätten ebenfalls das OBD-System des Fahrzeugs. Der Test setzt auf eine softwaregesteuerte Belastung der Fahrzeugbatterie via Diagnosegerät und Wallbox während des Ladevorgangs. Er lasse sich ohne weiteres in Werkstattprozesse einbinden, so der TÜV Rheinland. Nur etwa fünf Minuten wird eine Fachkraft am Fahrzeug benötigt, die übrige Testprozedur läuft innerhalb von rund 90 Minuten automatisiert ab. Bewertungsgrundlage für den Battery Quick Check sind Referenzwerte, die bei Neuzustands-Labormessungen des jeweiligen Batteriezellentyps ermittelt wurden. Damit liefert der Battery Quick Check laut Anbieter schon bei der ersten Messung exakte und vergleichbare Ergebnisse. Die Kosten für die Batterietests mit Mahle- oder Hella-Equipment legen die Werkstätten individuell fest. 

BU: Ein System zum Selbsttest des Batteriezustands bietet das Unternehmen Aviloo, das mit einigen namhaften Automobilverbänden kooperiert. Bild: Aviloo

Werkstattunabhängig lässt sich das Zertifikat des österreichischen Startups Aviloo erwerben. Für eine Gebühr von etwa 100 Euro schickt Aviloo seinen Kunden eine kleine Elektronik-Box zu, die an den OBD-Anschluss des Fahrzeugs angedockt wird. Danach haben Nutzer eine Woche Zeit, um den voll aufgeladenen Akku auf unter 10 Prozent Ladezustand herunterzufahren. Während der Testdauer darf das Fahrzeug nicht neu geladen werden, man muss sich den Test also gut einteilen. Danach geht die Box zurück nach Österreich, wo die Daten ausgelesen werden. Binnen weniger Tage erhalten Nutzer von Aviloo ein Batteriezertifikat, das den Zustand des Akkus exakt bewertet. Dass dieses Angebot seriös ist, wird dadurch unterstrichen, dass Institutionen wie ADAC, GTÜ, KÜS oder TÜV mit Aviloo kooperieren. Man kann sich die Aviloo-Box auch bei diesen Organisationen beschaffen und den Selbsttest durchführen.

Batterien im Durchschnitt haltbarer als von Experten erwartet

Die Sorgen vor zu schnell alternden Batterien sind im Allgemeinen wohl unbegründet, wie Daten von über 7.000 Autos zeigen, die Aviloo in einer ersten Statistik erfasst hat. Selbst bei E-Autos mit hohen Laufleistungen von über 200.000 Kilometern bleibt der sogenannte SoH-Wert (State of Health) im Durchschnitt auf sehr gutem Niveau, wie die Auswertung belegt. Erst nach über 100.000 Kilometern sinkt der durchschnittliche SoH-Wert allmählich unter die 90-Prozent-Marke.

Erste Auswertungen über die Haltbarkeit von E-Auto-Batterien zeigen, dass der Alterungsprozess langsam und auf hohem Niveau verläuft. Bild: Adobe Stock, Graham

Zwar weisen die Daten in der Anfangszeit des Batterielebens im Mittel eine relativ starke Degradation der Batterien aus: Bis zu einer Fahrleistung von ca. 30.000 Kilometer sinkt der durchschnittliche SoH-Wert auf 95 Prozent. Danach bleibt er jedoch lange stabil, sinkt nur noch langsam und bleibt im Schnitt auf deutlich höherem Niveau, als es ein Garantiefall vorsehen würde. Als Grund für diese starke Anfangsdegradation nennt Aviloo, dass sich während der ersten Lade- und Entladezyklen eine sogenannte SEI-Schicht (Solid Electrolyte Interphase) an der Anode bildet. Dieser Prozess verbraucht Lithium, das dann in geringerem Umfang für die Stromspeicherung verfügbar ist. Auch wenn diese Analysen nahelegen, man könne ein E-Auto fast unbesehen an einen Käufer weiterreichen: Für die Preisermittlung auf dem Gebrauchtwagenmarkt wird künftig eine geprüfte und zertifizierte Batterie die entscheidende Grundlage sein.

Titelbild: Adobe Stock/Patrick P.Palej
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