Es liegt was
in der Luft

Für Smartphone-Nutzer ein vertrautes Ritual, für Fahrzeugbesitzer noch Neuland: regelmäßige Software-Updates über Mobilfunk. Sie dürften im Automobilbereich künftig Standard werden.

Dass ein Auto im Grunde genommen ein komfortabel möblierter, selbstfahrender Computer ist, wird mit jeder neuen Modellgeneration deutlicher. Daten für Infotainment oder Navigation kommen in immer mehr Neuwagen über Mobilfunk ins Auto. Empfangen werden die Daten in aktuellen Modellen vom Bordrechner, dem sogenannten Central Vehicle Controller (CVC). Das ist in der Regel komfortabler, als das Smartphone als Empfänger zwischenzuschalten. Den Zukunftsfantasien für den Datenaustausch zwischen Auto und der Außenwelt scheinen kaum Grenzen gesetzt.

Laufende Updates für viele Funktionen

Flashing-over-the-air (FOTA) oder einfacher Over-the-Air (OTA) sind die neuen Zauberworte der Branche. Wie beim Smartphone, das uns Usern laufend Updates anbietet, um Funktionalität und Sicherheit zu verbessern und gegebenenfalls Schwachstellen zu beseitigen, sollen auch Autos ihre Updates im laufenden Betrieb erhalten. Die Aktualisierungen füttern dann nicht nur das Navigationssystem mit den neuesten Karteninformationen, sondern auch Steuergeräte für Sicherheits- oder Komfortfunktionen mit der jeweils aktuellen Firm- oder Software. Getrieben wird die Initiative der Fahrzeughersteller von zwei Gedanken: Kosten sparen und Geld verdienen.

Flashing-over-the-air vermeidet teure Rückrufaktionen

Die meisten Rückrufaktionen für Autos werden heute von Software-Fehlern verursacht. Lassen sich solche Schwachstellen mit Updates aus der Cloud flicken, müssen die Fahrzeuge nicht in die Werkstätten gerufen werden. Gut für die Hersteller, schlecht für die Werkstätten. Auch sogenannte verdeckte Rückrufe – die Hersteller bitten die Fahrzeugbesitzer wegen des meist mechanischen Problems A zum Werkstattbesuch, wo unbemerkt von den Kunden auch gleich noch die elektronischen Fehler B, C, D und und und mitbehandelt werden – könnten dann der Vergangenheit angehören: Fehler erkannt und gleich mit dem nächsten Update behoben.

Symbolbild für ein laufendes Software-Update
Software-Updates sollen in Zukunft auch Werkstattbesuche ersetzen. Bild: AdobeStock/aiben edis

Positiv betrachtet profitieren Autobesitzer natürlich davon, dass ihnen verbesserte Funktionen sofort zur Verfügung stehen oder Sicherheitslücken schnell geschlossen sind. Gelingt es beispielsweise dem Anbieter einer Fahrdynamikregelung wie ESP, sie durch Programmierung besser zu machen, dann braucht man nicht bis zum nächsten Werkstattbesuch oder gar bis zum Kauf eines Neuwagens zu warten, bis das Auto wieder auf dem neuesten Stand der Technik ist.

Updates als Upgrades

Viele Fahrzeughersteller nutzen mittlerweile die Update-Möglichkeiten als Testfeld für neue Geschäftsmodelle. Nur ein Beispiel: Kia bietet seine Software-Aktualisierungen neuerdings als kostenpflichtiges Abo an. Der Service kann für 89 Euro im „Kia Connect Store“ abonniert werden, zu diesem Preis erhalten Kunden zwei Update-Pakete pro Jahr, die unter anderem neue Kartendaten, Infotainment-Funktionen sowie Sicherheits- und Komfortfeatures umfassen. Die technischen Voraussetzungen für diesen Dienst erfüllen alle Kia-Modelle mit Navigationssystem ab dem Modelljahr 2022. Technisch möglich und vereinzelt schon realisiert sind auch Angebote, in denen Automobilhersteller ihre Fahrzeuge mit einer kompletten Ausstattung an elektronischen Diensten ausliefern und ihre Kunden wählen lassen, welche davon sie (kostenpflichtig) nutzen wollen.

Keine Einbahnstraße

Die OTA-Datenkommunikation zwischen Auto und Cloud funktioniert nicht nur in einer Richtung. Eine sinnvolle künftige Anwendung ist beispielsweise die Ferndiagnose: Meldet der Fahrzeugrechner eine Fehlfunktion, kann der Cloudbetreiber, in der Regel ein Tochterunternehmen des Fahrzeugherstellers, die Onboard-Systeme aus der Ferne durchsuchen und gegebenenfalls die Fehlerbehandlung einleiten.

 Eine 3-D-Grafik illustriert den Service battery in the cloud
Noch Zukunftsmusik: vernetztes Batteriemangement. Bild: Bosch

Schwarm-Intelligenz

Reizvoll für die wachsende Flotte von E-Autos ist ein Konzept, an dem von verschiedenen Seiten unter dem Begriff „battery in the cloud“ gearbeitet wird. Die Batterien aller Fahrzeuge eines Modells oder einer Akku-Bauart werden in der Cloud vernetzt. Aus den großen Mengen an übermittelten Daten lassen sich gegebenenfalls Betriebsstrategien ablesen, die die Reichweite der Fahrzeuge oder die Lebensdauer der Batterien erhöhen. Mittels Update könnten dann alle vernetzten Fahrzeuge von einer neuen Version der Steuerungssoftware profitieren.

Technisch ist die OTA-Technologie ausgereift. Ganz ohne Risiken ist sie nicht: Mobilfunkverbindungen sind die gefährdetsten Einfallstore für Hacker- Attacken, egal ob auf Smartphones oder auf Autos. Die Verschlüsselungstechnologien, die das verhindern sollen, sind sehr raffiniert und werden laufend weiterentwickelt. Allerdings gibt es keine absolute Sicherheit, dass Hacker nicht doch einmal einen verwendeten Verschlüsselungsalgorithmus knacken.

Titelbild: Bosch
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