Dieser cloudbasierte Service von Bosch verspricht eine bahnbrechend neue Informationsqualität für Autofahrer.
Die vielen Unwetter des Sommers 2024 haben es gezeigt: Pauschale Wetterwarnungen helfen im konkreten Fall wenig bis nichts. Gab es am Ort x kräftigen Regen, konnte in nur fünf Kilometern Entfernung wegen heftiger Gewitter mit zerstörerischen Hagelschauern der Verkehr komplett zusammenbrechen. Das bedeutete nicht nur Stillstand, sondern auch Sachschäden, die zu vermeiden gewesen wären, wenn die Autofahrer von dieser Gefahr gewusst hätten. Gleiches gilt in den Wintermonaten: Die Information „Glättegefahr“ bei Temperaturen um die null Grad Celsius ist wertlos – hilfreich ist allein das Wissen, ob auf der eigenen Route die Fahrbahn gefährlich vereist ist.
Konkrete, individuelle Warnung vor Gefahren
Der Automobilzulieferer Bosch bringt jetzt schrittweise und nach etwa zehnjähriger Vorbereitungszeit einen wegweisenden Informationsdienst für Autofahrer auf die Straßen, der räumlich präzise und individuell vor Gefahren warnt. Das System trägt den Namen „Bosch Road Hazard Service“, wird allerdings unter diesem Etikett den wenigsten Nutzern begegnen. Denn Bosch bietet es nicht Endkunden an, sondern Fahrzeugherstellern, die ihn unter eigenem Markennamen in Navigationssystemen oder Apps vermarkten können.
So funktioniert es: Bosch erhält von zahlreichen Providern von Navigationssystemen und Verkehrs-Apps, Straßenbetreibern oder spezialisierten Wetterdiensten Daten zu Verkehrslage und Witterung. Darunter beispielsweise die exakten Fahrbahntemperaturen für Straßen in ganz Europa. Auch die Informationen von Infrastrukturkameras an Fernstraßen oder in Städten wertet der cloudbasierte Dienst aus. Die beteiligten Fahrzeughersteller, interessiert an einem zuverlässigen Service für ihre Kunden, steuern ebenfalls Daten bei. Zum Beispiel über die Intervallgeschwindigkeit von Scheibenwischern, eingeschaltete Nebelschlussleuchten oder Regeleingriffe von ABS und ESP. Die Daten aus Individualfahrzeugen kommen anonymisiert bei Bosch an, erhalten keinen Hinweis auf die Identität von User oder Fahrzeug, werden nicht gespeichert, sondern nur punktuell für Analysen der aktuellen Verkehrs- und Wettersituation genutzt.
Scheibenwischer melden Starkregen
Zwei Beispiele: Wenn in einer bestimmten Region die Scheibenwischer aller Fahrzeuge mit höchster Intensität laufen, dann liegt mit höchster Wahrscheinlichkeit ein Starkregenereignis vor. Liegen in einer Region die Fahrbahntemperaturen um die null Grad Celsius, hat die Mehrzahl der Fahrzeuge Nebelscheinwerfer und -schlussleuchten aktiviert und werden viele ESP-Eingriffe registriert, schlussfolgert der Informationsdienst daraus die Wetterlage „gefrierender Nebel“ und warnt Autofahrer, die dort unterwegs sind, gezielt vor Glätte und schlechter Sicht.
Entscheidend für die Qualität einer Dienstleistung wie des „Bosch Road Hazard Service“ ist es, aus den eingehenden Daten die richtigen Schlüsse zu ziehen. Die dahinterstehende Infrastruktur nennt Bosch „Connected Map Services“. Riesige Datenmengen gehen per Cloud bei Bosch ein, werden in einem Zentralrechner zusammengeführt – die Fachsprache nennt das „Datenfusion“ –, abgeglichen, bewertet und am Ende in Gefahrenwarnungen für Verkehrsteilnehmer übersetzt. Zur Validierung der eigenen Informationsqualität nutzt Bosch verschiedene Werkzeuge: Zum Beispiel den Abgleich, ob gemeldete Fahrbahntemperaturen oder Sichtverhältnisse plausibel zu den Bildern passen, die von den angebundenen Kameras eingehen. Darüber hinaus ist auch eine Fahrzeugflotte von Bosch in das System integriert und vergleicht stichprobenartig die eigenen Messungen mit den Ergebnissen der Datenfusion.
Aus der Cloud ins Navi oder aufs Handy
Die Meldungen erreichen die User über Mobilfunk-Apps mit Anbindung an das Navigations- oder Infotainmentsystem. Erster Anwender des Bosch-Services war 2018 die Marke Skoda mit einer Falschfahrerwarnung. Mittlerweile hat Skoda weitere Funktionen integriert und vermarktet sie in der sogenannten Traffication-App. Aktuell sind schon mehr als fünf Millionen Fahrzeuge in Europa, Nordamerika, Australien und Neuseeland über Hersteller-Apps mit der Cloud der „Connected Map Services“ von Bosch verbunden. Je nach Hersteller haben die Apps unterschiedliche Namen. Seit kurzem ist der Service auch für Lkw von Daimler Trucks in Europa verfügbar und kann im Winter sicherlich hilfreich sein, Routen entsprechend der Wetterlage zu planen und das Verkehrschaos zu vermeiden, das liegengebliebene Laster bei Neuschnee oft verursachen.
Wenn viele mitmachen, entsteht Mehrwert für alle
Sollte Bosch sein System flächendeckend am Markt durchsetzen können, wäre es der erste Informationsdienst, in welchem vernetzte Fahrzeuge in Kombination mit Daten aus der Verkehrsinfrastruktur einen echten, spürbaren Mehrwert für alle schaffen. Diese Schwarmintelligenz hilft dann individuell jedem Verkehrsteilnehmer, der auf den Straßen unterwegs ist.