Autolicht im Dunkeln

Allerwelts-
Gesichter

Tagfahrlicht und LED-Scheinwerfer könnten dem Autodesign neue Impulse geben. Von diesen Möglichkeiten machen die Hersteller derzeit noch wenig Gebrauch.

Für autobegeisterte Jungs war es einmal ein beliebter Sport, Automodelle am Motorenklang zu erkennen. Diesen Sport betrieb man in einer Wiese neben einer Landstraße liegend und mit geschlossenen Augen. Wer zuerst erriet, was für ein Fabrikat sich näherte, hatte einen Punkt gewonnen. Die Einleitung legt nahe, dass diese Wettbewerbe ziemlich lange zurückliegen müssen. In einer Zeit, als Autos vereinzelt auf den Straßen unterwegs waren und Marken noch typisch klangen: Nur ein Mercedes-Diesel konnte so metallisch nageln, nur der Boxermotor im VW Käfer so hell klingeln, nur ein BMW-Vierzylinder so hochfrequent schnarren.

Elektronische Einspritzanlagen sind eine feine Sache, doch der Erzfeind dieser Sportart: Irgendwann klangen alle Autos gleich. Die Autosportler verlegten ihre Wettkämpfe in die Abendstunden. Jetzt galt es, die Modelle am Lichtbild ihrer Scheinwerfer zu erkennen: den Strich-Achter von Mercedes an seinen Scheinwerfern im Hochformat mit oben integrierten Blinkern, abgelöst vom W 123 mit runden „Ochsenaugen“ im Querformat und seitlichen Blinkern. Die BMWs an ihrem „bösen Blick“ aus je zwei kleineren Dppelrundscheinwerfern. Bei VW Käfer, VW Golf I und II konnte man kaum danebenliegen, so charakteristisch waren ihre runden Kulleraugen.

VW Käfer im Dunkeln
Unverwechselbar: ein VW Käfer Bild: Adobe Stock/Wolfgang

Auch die Zeit des charakteristischen Leuchtendesigns scheint – zumindest bis auf weiteres – vorbei. LED-Scheinwerfer und Tagfahrlichter machen die Gesichtserkennung immer schwieriger. Fiat 500 und die Mini-Modellpalette haben bis zuletzt das Fähnlein der Retro-Rundscheinwerfer hochgehalten. Doch der Fiat 500 in Verbrennerversion wird nicht mehr produziert, und Mini macht gerade eine Metamorphose zu eckigeren Formen durch. Der Rest der Autowelt blinzelt mit schmalen, meist horizontalen Tagfahrlichtern in die Welt. Elektroautos erleuchten die Nacht mit markenunspezifischen, über die volle Fahrzeugbreite gezogenen LED-Lichtbändern an Front und Heck. Design-Experten sagen, dies betone die Breite des Fahrzeugs, gut sichtbar etwa an den aktuellen Porsche-Modellen. Kritisch beleuchten kann man diese Tendenz mit dem Blick auf SUVs, die sich mit fetten Lichterketten noch voluminöser machen, als sie es ohnehin schon sind.

Viel Masse und eine zerklüftete Scheinwerferlandschaft beim neuen Mitsubishi Outlander Plug-in-Hybridmodell.
Viel Masse und eine zerklüftete Scheinwerferlandschaft beim neuen Mitsubishi Outlander Plug-in-Hybridmodell. Bild: Mitsubishi

Kleinere Modelle profitieren demgegenüber optisch davon, dass sie sich mit LED-Lidstrich bis an die Außenkante ein bisschen größer machen können. Experten bemängeln aber insgesamt, dass die Designer der Automobilindustrie aktuell wenig Mut zur Individualität zeigen. Eine auffallende Ausnahme macht Opel mit seinem Tagfahrlicht, das intern „Visor“ genannt wird. Es ist ein schlichter rechter Winkel, horizontal über den Hauptscheinwerfern, mit einem kurzen vertikalen Fortsatz an den äußeren Kanten. Aber ein Kniff mit Pfiff, der ein historisches Designelement von Opel aufgreift: Bei Modellen wie Rekord, Ascona und vor allem Manta A fasste in den 1970er-Jahren eine feine, kantig gezeichnete Chromleiste Kühlergrill und Scheinwerfer ein. Diesen klassischen Strich übersetzen aktuelle Opel-Modelle im Bereich der Scheinwerfer nun in einen Lichteffekt mit Wiedererkennungswert, besonders wirksam an den Modellen der Astra-Familie.

Winkel mit Wirkung: der sogenannte Visor am Opel Astra.
Winkel mit Wirkung: der sogenannte Visor am Opel Astra. Bild: Opel

Auch BMW arbeitet daran, sich mit Licht unverwechselbar zu machen. Man hat die BMW-„Niere“, also den markentypischen Kühlergrill, als pompösen Leuchtkörper entdeckt und nennt den Effekt „Iconic Glow“. Obwohl die Zulassungsvorschriften in Deutschland eindeutig sind – leuchten dürfen vorn nur Scheinwerfer – haben die Münchener für einige Modelle einen Weg gefunden, die jeweiligen Hälften des breiten Lufteinlasses als Teil der Scheinwerferanlage zuzulassen: Wenn der seitliche Abstand des Grills zu den eigentlichen Frontleuchten gering genug ist, darf man ihn ebenfalls als Lichtquelle benützen. Das mag auch erklären, wieso bei BMW die „Nieren“ immer breiter werden. Beim Über-SUV XM muss BMW gar nicht tricksen, denn er gilt mit seinem Hybridantrieb als Elektroauto. Da ist dann mehr erlaubt, zum Beispiel die Kontur der kinderbadewannengroßen Nierenhälften mit LEDs einzurahmen.

Leuchtniere voraus am Über-SUV BMW XM.
Leuchtniere voraus am Über-SUV BMW XM. Bild: BMW

Ob dezent oder pompös: Mit Lichtdesign lässt sich Markenidentität stiften. Andere Automarken schöpfen dieses Potenzial derzeit kaum aus.

Lichtdesign selbst gemacht?

Wenn Autodesigner mit dem Licht spielen können, wieso nicht auch ich? Der Gedanke ist naheliegend, dennoch sollte man ihn schnell wieder fallenlassen. Die Zulassungsvorschriften sind so eng gefasst, dass sie keinen Raum für individuelle Spielereien lassen. Eine Unterbodenbeleuchtung beispielsweise kann andere Verkehrsteilnehmer irritieren und ist deshalb nicht erlaubt. Eine kostenpflichtige Ausnahmegenehmigung ist möglich, wenn das Unterbodenlicht nur beim Ein- und Aussteigen aktiv ist und sich abschaltet, wenn der Wagen fährt.

Lichter müssen nach vorne weiß und nach hinten rot strahlen, andere Farben sind nicht zulässig. Deshalb dürfen Scheinwerfer und Rückleuchten weder lackiert noch mit Folie beklebt werden. Gleiches gilt in der Regel auch für geschwärzte Rückleuchtenabdeckungen. Auf die Idee, seine Felgen zu beleuchten, muss man erst einmal kommen, und dann gilt auch hier: verboten. Wer gegen die genannten Vorschriften verstößt, muss mit einem Verwarnungsgeld rechnen. Schwerer wiegt aber, dass mit unzulässigen Veränderungen die Betriebserlaubnis hinfällig ist: Man darf das Fahrzeug nicht auf öffentlichen Straßen bewegen und verliert den Versicherungsschutz.

Titelbild: Adobe Stock/by-studio 
Zurück zur Startseite

Kommentieren

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen